Little Britain:Mähnen im Wind

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Auch in Großbritannien tobt sich derzeit der Wind aus. Das gibt der BBC anscheinend Gelegenheit für kleine Späße: Kurzwüchsige Reporterinnen mit langen Haaren müssen gerade von dort berichten, wo es am stärksten bläst. Eine von ihnen trug es fast nach Norwegen.

Christian Zaschke

Es stürmte in dieser Woche in Großbritannien, und die BBC berichtete live. Sie hatte Reporter in die Ecken des Landes geschickt, die am stärksten betroffen waren. Die Reporter waren allesamt junge Frauen, und sie waren kleine Frauen. Sie standen im Wind, der nach ihnen griff, an ihnen herumriss und sie schüttelte. Bei jeder Schaltung wurden die Haare der Reporterinnen noch nasser. Und der Wind ließ die nassen Mähnen mit einem, wie es schien, diabolischen Vergnügen flattern.

Der Wind hat mit den Haaren britischer Reporterinnen sein diabolisches Vergnügen. (Foto: dpa)

Die Reporterinnen brüllten in ihre Mikrofone, dass das Wetter wirklich sehr, sehr schlecht sei. Eine Reporterin im Norden Schottlands wurde vom Wind immer wieder nach rechts aus dem Bild getrieben. Entweder stand die Kamera unbemannt auf einem Stativ oder der etwas sture Kameramann hatte beschlossen, stets die zu Beginn verabredete Einstellung beizubehalten, komme was da wolle.

Jedes Mal, wenn es aussah, als triebe die Reporterin jetzt endgültig ab in Richtung Norwegen, kämpfte sie sich tapfer zurück ins Bild und rief zur Kamera: "Es ist etwas schwierig, in diesem Wind stehenzubleiben." Dann griff der Sturm wieder nach ihr und zog sie an den klatschnassen Haaren aus dem Bild.

Ich schaute den Reporterinnen mit meinem Freund Iain zu, der gern auf meinem Sofa herumsitzt und meinen Kaffee trinkt, während er fernsieht. Ich musste arbeiten, aber Iain bemerkte, er könne jetzt leider noch nicht gehen, denn auch Ödön von Horváth sei bekanntlich 1938 bei einem schlimmen Sturm von einem Ast erschlagen worden. Vom Bildschirm brüllte eine sturmumtoste Reporterin aus Wales, dass es dort auch windig sei. "Allerdings in Paris", erläuterte Iain. Ich schaute ihn fragend an. "Horváth", sagte Iain, "er starb in Paris."

Iain kam vor gut 40 Jahren bärtig auf die Welt, aber vor zwei Monaten hat er sich seinen Vollbart abrasiert. Anschließend passierte etwas Interessantes: Männer bemerkten das Fehlen des Barts gar nicht, sie fanden allenfalls, dass Iain ausnahmsweise mal recht frisch aussah. Manche Frauen hingegen erkannten ihn allen Ernstes nicht wieder. Dann entwickelte sich jedes Mal dieser Dialog: "Kennen wir uns?" - "Na, ich bin's, Iain." - "Mein Gott, Iain!!! Das sieht soooo viel besser aus!" Nach und nach verschwinden gerade sämtliche Vollbärte im Freundeskreis.

Nach vielen Stunden der Berichterstattung über den Sturm schickte die BBC gegen Abend den ersten Mann raus. Er stand irgendwo in der Nähe von London herum, der Regen hatte aufgehört. Es sei immer noch sehr schlimm hier draußen, sagte der Reporter ernst, während der leichte Wind ihm liebevoll die Frisur zurechtzupfte.

© SZ vom 07.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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