Wir standen im "The Seven Stars", als der stets erstaunliche G. begann, Fettgeschichten zu erzählen. Das Seven Stars gehört zu den besten Pubs in der Londoner Innenstadt. Seine Lage wird von Eingeweihten geheim gehalten, aber wer einmal um das prächtige Gebäude der Royal Courts of Justice herumgeht und sich in der kleinen Straße dahinter gründlich umschaut - so ungefähr jedenfalls.
Es gibt dort Pilsener Urquell, die Treppe zu den Klos ist strickleitersteil, an den Wänden hängen Plakate von alten Justizfilmen. Der Barmann verkauft kubanische Zigarren, auf der Speisekarte stehen leckerste - nun ja - Gerichte, aber G. war leider tief in der nächsten Fettgeschichte. Meinen Einwand, dass ich versuche, ein wenig abzunehmen und schon deshalb nicht eine Fettgeschichte nach der anderen hören wollte, hatte er als unbegründet abgewiesen.
Im Bann des 15-Tonnen-Fettklumpens
Zu viele Zeitungen hatten in ihrer Sommerloch-Verzweiflung davon berichtet, dass in der Londoner Kanalisation ein 15-Tonnen-Fettkloß entdeckt worden war. Es dauerte drei Wochen, ihn zu beseitigen. "Ist das nicht herrlich?", fragte G. "Schau mal", sagte ich, "da hängt das Plakat von ,The Dock Brief' von 1962." G. schob mich, während er eine neue Fettgeschichte erzählte, nach draußen, wo er rauchte. An der Fassade des Seven Stars sind Tischchen angebracht, auf denen man sein Bier abstellen kann. Über den Tischchen sind, knapp über Kopfhöhe, Haken angeschraubt, für die Jacken. Es ist ein angenehm zivilisierter Pub.
Ich zeigte durch das Fenster auf das Plakat. "Schau mal", sagte ich, "mit Peter Sellers und Richard Attenborough. Sellers spielt einen Anwalt und Attenborough einen Mann, dem wegen Erzählens zu vieler Fettgeschichten lebenslange Haft droht." G. erzählte, dass sein grandioser Schwager damals, als ihm drei Fastfood-Restaurants gehörten, abends das Frittenfett abgelassen und mit nach Hause genommen habe, um damit seine Heizung zu betreiben. "Hat er extra umgebaut", sagte er.
Neben dem Seven Stars ist ein winziges Geschäft, in dem Anwälte und Richter ihre Perücken kaufen. "Schau mal", sagte ich, "da gibt's diese Perücken." G. erzählte, dass sein Schwager auch einen 200er Mercedes-Diesel so umgebaut habe, dass er mit Frittenfett lief. "Wenn er irgendwo herfuhr, hing der milde Pommesgeruch noch lange in der Luft", sagte G. Normalerweise bin ich gut darin, G.s Geschichten abzuwettern, aber plötzlich hörte ich mich fragen: "War das nicht illegal?" G. schaute mich mit dem zufriedenen Blick eines Jägers an, der seine Beute genau dahin getrieben hat, wo er sie haben will. Er sagte: "Wo kein Kläger, da kein Richter."