Literatur:Im Dienst der Bücher

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Ruhestand? Ist kein erstrebenswertes Ziel für Lianne Kolf, die in Schwabing eine Literaturagentur mit acht Mitarbeitern führt. (Foto: Felix Broede)

Ein Bildband und eine Lesung im Literaturhaus präsentieren Frauen, die nicht nur gepflegt älter werden wollen, sondern beruflich durchstarten

Von Antje Weber

Ganz klein sieht sie auf einem der Fotos aus, den Blick konzentriert auf den Bildschirm gerichtet, meterhohe Bücherwände im Rücken. Ein passendes Bild, denn in den Dienst von Büchern stellt Lianne Kolf ihr Leben ja schließlich: Die 71-Jährige betreibt seit fast vier Jahrzehnten eine Literaturagentur in München. Ihre Agentur war 1982 die erste für deutschsprachige Autoren, und noch heute steht die Gründerin an der Spitze ihres Unternehmens in Schwabing, das acht junge Mitarbeiter beschäftigt.

Die Autorin Nicole Andries war davon so beeindruckt, dass sie ein Porträt von Lianne Kolf in ihren Band "Wir wollen es nochmal wissen! Frauen, die kein Alter kennen" (Elisabeth Sandmann Verlag) aufgenommen hat. Der aufwendige Band versammelt nicht nur Texte, sondern auch Fotos von Felix Broede - in Schrift und Bild soll so vorgeführt werden, was eigentlich ja keines Beweises bedürfte: dass auch ältere Frauen noch einmal durchstarten und sich sehr erfolgreich neu orientieren können. "Active aging" nennt man das neudeutsch, und was das bedeuten kann, lässt sich an diesem Dienstag im Literaturhaus nachvollziehen. Dann wird Wera Bunge aus ihren bewegten Nächten als Salondame in einer Szenebar in Berlin-Kreuzberg erzählen. Die Schweizerin Lily Honegger-Schaad wird von ihrer Arbeit als Pressesprecherin eines Dinosaurier-Museums berichten. Die Münchnerin Barbara Glauning, früher Übersetzerin und Eventmanagerin beim Filmfest München, wird ihre Aufgaben als - unter anderem - Gesellschafterin des Bonnevoice Hörbuchverlags erläutern. Und auch Lianne Kolf wird auf dem Podium sitzen.

Sie alle eint vor allem eines: der Mut, sich neu zu erfinden, auch über Widerstände hinweg. "Ich war immer aufmüpfig und ein Anarchist", sagt zum Beispiel Lianne Kolf. Sie ging in den Sechzigerjahren früh vom Starnberger Zuhause weg ins vergleichsweise wilde London, führte später eine Buchhandlung in Hamburg und arbeitete schließlich in München in Buchhandlungen und Verlagen - zuletzt beim Molden-Verlag, der 1982 in Konkurs ging. Was tun? Sie beschloss, den verzweifelten Autoren bei ihrer Suche nach einem neuen Verlag zu helfen - und gründete ihre Agentur. Ein gutes Gespür bewies sie seitdem zum Beispiel mit der Vermittlung des Autorenpaars Iny Lorentz. Nachdem sie vor etwa 20 Jahren tagelang um deren 3000 zugesandte Manuskriptseiten herumgeschlichen sei, so erzählt sie, ließ sie sich vom historischen Romanstoff schließlich doch faszinieren. Inzwischen hat Iny Lorentz mehr als 14 Millionen Bücher verkauft.

Kolf gehört damit zu den Frauen, von denen die Regisseurin Margarethe von Trotta im Vorwort des Bandes schreibt: "Es sind Frauen, die das Alter als eine Chance wahrnehmen, etwas Neues zu entdecken, und das sogar einfordern". In der Generation der heute 70- oder 80-Jährigen ist das nicht selbstverständlich. "Haben sich unsere Vorstellungen von Frauen, die älter werden, wirklich verändert?", fragt von Trotta denn auch etwas zweifelnd. "Was dürfen sie im Alter noch für sich verlangen? Was erwarten sie?" Die Literaturagentin Lianne Kolf wird darauf vermutlich selbstverständlich antworten: alles. Mit 80 Jahren allerdings, so kündigt sie an, möchte sie dann nur noch halbtags arbeiten.

Wir wollen es nochmal wissen !, Dienstag, 4. Juni, 20 Uhr, Literaturhaus, Salvatorplatz 1

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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