Heringsdorf (dpa/mv) - Die einst bei Künstlern besonders beliebte Ostseeinsel Usedom pflegt ab dieser Woche wieder ihre literarische Tradition. Am Mittwochabend starten die diesjährigen Usedomer Literaturtage. Erinnert wird unter anderem an die Bücherverbrennungen des Nazi-Regimes vor 90 Jahren mit einer Lesung der damals betroffenen Werke etwa von Erich Kästner oder Stefan Zweig. Unter dem Motto „Zeitenwende“ sollen auch die aktuellen Umwälzungen etwa durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in den Blick genommen werden.
Den Auftakt macht der für die deutschsprachige Theaterszene prägende Regisseur Peter Stein mit einer Lesung. Bekannt ist er unter anderem für seine 22-stündige Inszenierung der Komplettfassung von Johann Wolfgang von Goethes „Faust“.
Auf dem Programm steht für Ende Mai die erste deutsche Lesung des Romans „Empusion“ von Olga Tokarczuk, Trägerin des Literaturnobel- und Usedomer Literaturpreises. Es handele sich um eine Hommage an Thomas Manns „Zauberberg“, den der Schriftsteller auf Usedom vollendete.
Auch das Schaffen des Komponisten Engelbert Humperdinck, der mit „Hänsel und Gretel“ eine der meistgespielten Opern der Welt geschrieben hat und vorübergehend auf Usedom wohnte, wird bei einer Buchvorstellung beleuchtet. Mittlerweile wohnt Ex-„Bild“-Chef Kai Diekmann in dem Haus, das Humperdinck 1906 vorübergehend bewohnte.
Den diesjährigen Usedomer Literaturpreis erhält am Samstag die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen. Auch eine Lesung aus ihrem Werk ist geplant. Die Festival-Macher hatten sie als „Meisterin des menschlichen Dramas“ gelobt. Die Autorin habe vom nahen Finnland aus die Sowjetzeit Estlands erlebt und thematisiert, aber auch die gegenwärtige Bedrohung Estlands angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine reflektiert.
Die Literaturtage finden vom 3. bis 6. und vom 27. bis 28. Mai in den Kaiserbädern Ahlbeck und Heringsdorf sowie in Zinnowitz statt. Angekündigt hätten sich unter anderem auch Theologin Margot Käßmann sowie die Literatin und Philosophin Thea Dorn. Lesungen sind auch mit der Trägerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2022, Ana Marwan, oder dem Historiker Christopher Clark geplant. Letzterer hat sich in „Die Schlafwandler“ etwa dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gewidmet und ist Träger des Bundesverdienstkreuzes.
Es handelt sich um die 15. Ausgabe des dem Ostseeraum zugewandten Literaturfestivals, das an die literarische Tradition der Insel verbunden etwa auch mit Maxim Gorki und Theodor Fontane anknüpfen will.
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