Literatur:Hannah-Arendt-Preis: Preisstifter wollten Festakt anpassen

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Bremen (dpa) - Die Heinrich-Böll-Stiftung Bremen hat ihr Vorgehen im Zusammenhang mit der geplanten Verleihung des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken an die US-Publizistin Masha Gessen verteidigt. „Die Absage des Festaktes für Masha Gessen war eine gemeinsame Entscheidung aller drei preisstiftenden Institutionen“, teilte die den Grünen nahestehende Organisation am Freitagabend mit. Der Trägerverein hält nach eigenen Angaben an der viel kritisierten Veranstaltung fest und hatte sie für diesen Samstag angekündigt.

Versuche, die gemeinsame Veranstaltung von Bremer Senat, den Böll-Stiftungen des Landes und Bundes als preisstiftende Institutionen und Hannah-Arendt-Verein, der die Jury nominiert, zu retten, liefen demnach ins Leere.

„Leider hat der Hannah-Arendt-Verein seit dem Erscheinen von Gessens Artikel im "New Yorker" die Kommunikation mit uns verweigert“, hieß es laut Mitteilung. So sei keine Verständigung über eine mögliche Modifizierung des Festaktes „zu Gunsten eines faktisch kontroversen Formats“ möglich gewesen.

„Gleichwohl suchen wir als Böll-Stiftungen weiterhin die kontroverse Debatte mit Masha Gessen und haben Masha Gessen dazu auch bereits eingeladen“, hieß es weiter. Der Trägerverein war am Freitagabend telefonisch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Masha Gessen schreibt über politische Strömungen und Konflikte in der US-amerikanischen und der russischen Gesellschaft. Kritisiert werden Äußerungen in einem Artikel im US-amerikanischen Magazin „The New Yorker“, mit denen Gessen die Situation in Gaza mit den jüdischen Ghettos im besetzten Europa verglichen haben soll.

Die drei preisstiftenden Institutionen hätten sich gemeinsam für eine Absage des Festaktes am Freitag entschieden, „weil wir Gessens Vergleich des Gaza-Krieges mit der Liquidierung eines Ghetos in der NS-Zeit für untragbar und indiskutabel halten - erst recht im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung“, so die Böll-Stiftung Bremen.

Preis wie auch Preisgeld werden aber verliehen, auch wenn die preisstiftenden Institutionen nicht mehr dabei sind, erläuterte Henning Bleyl von der Heinrich-Böll-Stiftung Bremen am Freitagabend. Der Preis wurde Masha Gessen schon im Sommer zuerkannt. „Wir können also nur noch die Preisvergabe, diesen feierlichen Rahmen absagen. Wir können nicht die Preisvergabe rückabwickeln.“ Der Trägerverein wollte den Preis am Samstag in kleinerem Rahmen vergeben.

Der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken wurde 1994 gestiftet. Die Auszeichnung soll Menschen ehren, die in der Tradition Arendts zu öffentlichem politischem Denken und Handeln beitragen. Über die Vergabe entscheidet den Angaben nach eine unabhängige, internationale Jury. Das Preisgeld von 10 000 Euro wird von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Senat der Stadt Bremen gestiftet.

© dpa-infocom, dpa:231215-99-315009/2

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