Kölner Literaturfestival Lit.Cologne:Eine Art Normalität

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"Freudige Erwartung, aber ohne Hurra-Stil": lit.Cologne-Chef Rainer Osnowski. (Foto: imago stock&people/Future Image)

Die Lit.Cologne, das größte Literaturfestival Europas, startet voll bestuhlt wie früher - trotz einer Kölner Inzidenz von über 2000.

Von Alexander Menden

Das soziale Miteinander werde schnell wiederkommen, prophezeit Rainer Osnowski. Es herrsche "freudige Erwartung, aber ohne Hurra-Stil", so der Geschäftsführer der Lit.Cologne. Aber auch er räumt ein, dass die Situation ein bisschen seltsam ist: An diesem Montag lag die Sieben-Tage-Inzidenz der Covid19-Infektionen in Köln laut Robert-Koch-Institut noch immer bei 2233,4. Der Karneval hatte die Corona-Zahlen noch einmal steil nach oben getrieben. Doch anders als in den vergangenen zwei Jahren wird die 22. Auflage des dem Publikumszuspruch nach größten Literaturfestivals Europas, der Lit.Cologne, analog und in Präsenz stattfinden.

2020 war sie ganz ausgefallen, 2021 war alles digital. Diesmal: 180 Veranstaltungen, volle Bestuhlung. Um sich die Größenordnungen zu vergegenwärtigen: Im Jahre 2019 kamen rund 111 000 Menschen zu den Lesungen und Gesprächen. Man nehme die Corona-Schutzverordnung auch weiterhin sehr ernst, betont Osnowski. Und um keine Unsicherheit aufkommen zu lassen, werde man bis zum Ende des Festivals am 26. März an der 2G+-Regel und, je nach Veranstaltungsort, auch an der Maskenpflicht am Platz festhalten - auch wenn in der kommenden Woche bundesweit plangemäß die meisten Vorschriften fallen werden.

Der einstige Außenminister Joschka Fischer wird sich am Mittwoch erstmals seit Kriegsausbruch öffentlich äußern

All das muss man nach zwei Pandemiejahren bei einer solchen Riesenveranstaltung schon erwähnen, auch wenn das Augenmerk der Weltöffentlichkeit von Corona zum Ukraine-Krieg weitergewandert zu sein scheint. Dass die Lit.Cologne allerdings trotz ihrer Größe und der entsprechend langen organisatorischen Vorläufe in der Lage ist, flexibel auf aktuelle Geschehnisse zu reagieren, beweist die kurzfristig ins Programm gehobene Solidarveranstaltung zur Eröffnung an diesem Dienstag: Unter dem Motto "Nein zum Krieg" werden die eigens eingeladenen Autoren Navid Kermani, Sasha Marianna Salzmann, Sasha Filipenko und Deniz Yücel über die derzeitige Lage in der Ukraine sprechen. Für Osnowski ist diese programmatisch Reaktion Teil des Gründungskonzeptes der Lit.Cologne. "Für uns war von Anfang an klar, dass Kultur immer politisch ist", sagt er. "Und ebenso klar ist, dass wir uns mit einem Krieg in Europa befassen müssen."

Einige der bereits geladenen Gäste werden sich zweifellos ebenfalls der neuen Lage gemäß ihren Schwerpunkt neu ausrichten: Joschka Fischer, eine Art Stammgast des Festivals, wird sich am Mittwoch erstmals seit Kriegsausbruch bei einer öffentlichen Veranstaltung äußern. Das Motto "Zeitenbruch" stand schon fest, könnte aber kaum passender gewählt sein. Während der im vergangenen Herbst zum Literaturnobelpreisträger gekürte tansanische Autor Abdulrazak Gurnah, ebenfalls an diesem Mittwoch, pandemiebedingt bei der Lit.Cologne zum ersten Mal überhaupt seit der Ehrung vor größerem Publikum auftreten wird, darf man von einem weiteren Nobelpreisträger, Orhan Pamuk, am 21. März schonungslose Kritik an Diktaturen per se und wohl an Wladimir Putin im Speziellen erwarten.

Besonders interessant verspricht im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg am 25. März der Abend mit dem Polen Szczepan Twardoch werden. Nominell stellt er seinen Roman "Demut" vor. Doch im Gespräch mit seiner seit langem in München lebenden Landsfrau Olga Mannheimer dürfte der Umgang Polens mit der jüngsten Flüchtlingswelle auch ein Thema sein.

Jenseits des Krieges versprechen vor allem die Auftritte der britischen feministischen Illustratorin Florence Given (23.3.) und der Leipziger Autorin Tupoka Ogette, die als Beraterin und Trainerin im Bereich der Rassismuskritik arbeitet (26.3.) relevante Impulse zu gegenwärtig virulenten gesellschaftlichen Debatten. Alexander Kluge, den die Lit.Cologne zu seinem 90. Geburtstag ehrt, durfte seine Veranstaltung (19.3.) selbst gestalten. Kluge hat sich Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie-Magazins, als Gesprächspartnerin eingeladen und den Abend mit "Ich bin eine Leseratte" überschrieben.

Dass Corona, zumindest für den Moment, einer gewissen Normalität Platz zu machen scheint, ist übrigens nicht zuletzt daran abzulesen, dass die allabendlichen, legendär geselligen Treffen der Teilnehmer im Kölner Schokoladenmuseum ebenfalls wieder steigen können. Da sei, sagt Rainer Osnowski, das Interesse bei Autorinnen wie Schauspielern gleichermaßen "sehr groß".

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