Kurzkritik:Zeitgeist-Pop

Lesezeit: 1 min

Andreas Spechtl und Tellavision in der Milla

Von Jürgen Moises, München

Man ist es ja eigentlich gewöhnt, dass die spannenden Dinge oft jenseits des Mainstreams passieren. Aber wenn bei den Konzerten von Andreas Spechtl und Fee Kürten alias Tellavision in der Milla gerade mal 20 Leute vor der Bühne stehen, da ist man doch ein bisschen überrascht. Trotzdem: Fee Kürten freut sich. Denn im Vorverkauf, sagt sie gegen Ende ihres Auftritts, gingen nur sechs Karten weg. Tatsache ist : Beide haben zwei der spannendsten deutschen Popalben des Jahres vorgelegt, die sie live auch höchst überzeugend präsentieren.

Andreas Spechtl, den man von Indie-Projekten wie Ja, Panik und Die Türen kennt, macht das im Falle seines dritten, in Mexiko geschriebenen Solo-Albums "Strategies" zunächst alleine. Irgendwann steht er auf der Bühne, knipst die Elektronik an und singt dazu Dinge wie "Ich seh nur Darkness" oder "Die Leute warten nur darauf, dass einer wieder laut wird". Da ist man nicht nur im verästelten Klangkosmos von Spechtl, sondern auch im Zeitgeist mittendrin. Ab der dritten Nummer, "Pretty Views", sorgt zusätzlich eine Saxofonistin für ein leichtes Jazz- oder Ambient-Feeling, während Spechtl die Elektronik fiepsen, bullern oder seine Gitarre kurz aufkreischen lässt. Irgendwo zwischen Krautrock, Discopop und Techno bewegt sich das als Ganzes und ist etwa im Fall des wunderbaren "Separate" auch gut tanzbar.

Auf Tellavisions viertem Album "Add Land" fließt mit Krautrock, Ambient, Funk oder Techno ebenfalls so einiges zusammen. "Hardware Post Pop" nennt die Berlinerin ihre Musik, die sie live nicht wie früher alleine mit Synthesizer, Gitarre, Schuhkarton und Loopstation, sondern mit einer Schlagzeugerin und einem Bassisten präsentiert. Auch in Stücken wie "Salty Man" und "Siri" steckt der Zeitgeist. Aber nicht plakativ, sondern ähnlich wie bei Spechtl als Teil eines klugen, musikalisch versierten und live sehr sympathisch und unterhaltsam vorgetragenen Vexierspiels.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: