Kurzkritik:Wohlige Welle

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Rutter-Requiem in der Konzertreihe "Paradisi gloria"

Von Barbara Doll, München

Es ist üblich, dass bei "Paradisi gloria" in der Herz-Jesu-Kirche nicht nur Musik gemacht wird, sondern auch Gedichte rezitiert werden, vom Schauspielnachwuchs der Otto-Falckenberg-Schule. "Komm, lieblicher, linder Tod": Die Wortmusik von Walt Whitman passt bestens zwischen die Sätze von John Rutters Requiem. Der kindliche, hoffnungsfrohe Tonfall, mit dem Pauline Werner das Gedicht rezitiert, fügt sich in die lichte, zarte Tonsprache des Requiems.

Der Brite John Rutter schrieb das Requiem 1985 im Andenken an seinen verstorbenen Vater. Von donnernder Jenseits-Dramatik ist hier nichts zu hören; Rutter hat das Stück musikalisch reich mit Trost und Zuversicht für die Lebenden ausgestattet. Das Münchner Rundfunkorchester und der Via-Nova-Chor München unter Anu Tali bringen dies mit Inbrunst zu Gehör. Schon zu Beginn, im fast geflüsterten "Requiem aeternam", überzeugt der Chor mit Homogenität und deklamatorischer Kraft. Klar und geschmeidig koordinierend führt Anu Tali Chor und Orchester zu strahlenden Apotheosen zusammen, etwa im Kyrie oder im Sanctus. Nicht weniger berührend gelingen die leiseren, nach innen gekehrten Sätze: die englisch gesungenen Psalmen "Aus der Tiefe rufe ich" und "Der Herr ist mein Hirte". Hervorragende Instrumental-Soli - Flöte, Cello, Harfe, Oboe - tragen dazu genauso bei wie die Sopranistin Samantha Clarke, die mit expressiver und zärtlicher Stimme singt. Wie auch der Chor entlässt sie die trostreiche Botschaft von Frieden und Auferstehung als wohlig warme Welle in das Kirchenschiff. Die Totenmesse wird zur Lebensmesse: Das ist trotz der fast aufdringlichen Eingängigkeit des musicalhaften Hauptthemas eine schöne Konzerterfahrung.

Ein selten gehörtes Erlebnis steht vor dem Requiem: Bernsteins "Three Meditations From Mass" für Cello und Orchester. Mit unendlich singendem Ton versenkt sich Solocellist Uladzimir Sinkevich in das Stück - und stimmt damit auf das Hauptwerk des Abends ein.

© SZ vom 25.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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