Kurzkritik:Wahnwitz mit Cembalo

Lesezeit: 1 min

Das Jewish Chamber Orchestra ehrt Mieczysław Weinberg

Von Rita Argauer, München

Es ist immer ein Kunststück, wenn Künstler es schaffen, dass es in ihrer Kunstdarbietung nicht so sehr um sie selbst geht. Das Jewish Chamber Orchestra Munich war darin schon seit langem recht gut. Im Spot steht die Musik nicht die Musiker. Man entdeckt also hier nicht bekannte Musik neu durch die Augen eines Star-Interpreten, sondern man entdeckt neue Musik. So auch beim Konzert zum 100. Geburtstag des polnisch-jüdischen Komponisten Mieczysław Weinberg.

Am Anfang gerät die Interpretation des Orchesters unter der Leitung von Daniel Grossmann dabei derart in den Hintergrund, dass es beinahe ausdruckslos klingt. Diese spielerische Non-Expression macht sich jedoch bei Weinbergs Concertino für Cello und Streichorchester, op. 43, ausgezeichnet. Mit dem wogenden Solo-Cello von Wen-Sinn Yang erinnert der erste Satz an Max Bruchs 1. Violinkonzert. Nur ist die Komposition Weinbergs etwas kühler, distanzierter und einen Tick intellektueller. Mit der Gleichförmigkeit der Tempi und der reduzierten Dynamik treffen Grossman und sein Orchester diesen künstlerischen Willen famos.

Der Witz Weinbergs, der im Folgenden Modulares auf Klassik-Zitate treffen lässt, entfaltet sich keck. Schostakowitschs Streichquartett Nr. 10 hingegen, arrangiert als Kammersymphonie, erklingt in der ursprünglichen Vierstimmigkeit anschließend zwar schön transparent, ein bisschen fehlt hier aber der interpretatorische Wille, die Musik irgendwo hinzuführen.

Weinbergs Musik macht dies viel mehr aus sich selbst heraus. Exemplarisch zeigt sich das schließlich in seinen frühen Jüdischen Liedern und insbesondere in seiner 7. Symphonie. Die Lieder sind ein seltsamer Brocken zwischen Zynismus, Eklektizismus und Sentiment. Die Mezzosopranistin Idunnu Münch singt das kräftig und treffend und setzt die Kontraste zwischen den zu Beginn trivialen Texten und der illustrativ-dramatischen Musik. Und die 7. Symphonie aus dem Jahr 1964 kombiniert auf wahnwitzige Weise Cembalo und Streichorchester. Formal ist das weniger Klavierkonzert als Streichersymphonie, die von einem höchst ulkigen Tasteninstrument immer wieder durchbrochen wird. Diese Cembalo-Intermezzi reichen dabei von ausladendem Impressionismus über Sixties-Psychedelic zu technoidem Minimalismus. Das Orchester präsentiert dazu Stimmungsvielfalt mit viel Willen, aber ohne Kapriolen. Grandios.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: