Kurzkritik:Virtuoser Ersatz

Lesezeit: 1 min

Die Pianistin Claire Huangci im Prinzregententheater

Von Klaus P. Richter, München

Obwohl man Chopins Klavierkonzerten nachsagt, dass das Orchester keine bedeutende Rolle dabei spielt, dauert es recht lang, bis im e-Moll-Konzert das Klavier zu Wort kommt. Erst nach fast 90 Takten im süffigen orchestralen "Risoluto" konnte Claire Huangci zu ihrer ersten Arabeske auf dem Steinway einsetzen: noch ganz im Ton eleganter Chopin-Noblesse. Aber schon in der Durchführung des langen ersten Satzes zeigte die chinesisch-stämmige Amerikanerin, die für den erkrankten Nikolai Tokarev, der eigentlich am Flügel sitzen sollte, eingesprungen war, ihre ausgemachte Virtuosennatur.

Mit blitzender kristalliner Brillanz illustrierte Claire Huangci in den Figurationsslaloms des Allegro und noch mehr im Krakowiak-Rondosturm des Finalsatzes Frédéric Chopin als Klaviervirtuosen, weniger den zauberischen Poeten der Nocturnes und des träumerischen "Larghetto" im Adagio-Mittelsatz. Als "Romance" überschrieben sollte er vielleicht eher den Kontrast zum damaligen Salonlöwentum eines Franz Liszt oder Friedrich Kalckbrenner sein - obwohl dem das Konzert gewidmet ist. Vollends ließ Claire Huangci dann ihrem virtuosen Temperament in der rasanten Zugabe freien Lauf.

War das Kammerorchester der Münchner Philharmoniker unter dem ersten Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici bei Chopin schon keineswegs nur "Begleitung", so vertiefte es sich bei Franz Schubert mit sinfonischem Atem in dessen existenzialistische Dunkelheiten. Denn es gab eine Rarität im Prinzregententheater: die von Gustav Mahler orchestrierte Fassung von Schuberts d-Moll Streichquartett "Der Tod und das Mädchen". Mahler hat im Quartett genau erkannt, wie Schubert "sich den Weg zur großen Sinfonie" à la Beethoven "bahnen will" und dessen orchestrale Dimension vor allem in der hinzugefügten Bassregion entfaltet. Das Ensemble musizierte seine Transformation mit Verve, hitzig in den fiebrigen Schatten, beschwörend in den bangen Beklommenheiten.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: