Kurzkritik:Unbeschwert spielen

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Pianistin Eva Gevorgyan debütiert im Herkulessaal

Von David Renke, München

So richtige Ruhe möchte während des gesamten Konzerts nicht eintreten. Ein klingelndes Handy, die üblichen Huster, und dann muss nach dem ersten Stück kurz unterbrochen werden, da es einer Dame im Publikum nicht gut geht - all das kann die fünfzehnjährige Pianistin Eva Gevorgyan nicht aus ihrer Konzentration reißen. Da hilft sicherlich auch die beträchtliche Wettbewerbserfahrung, die die junge Russin bereits angesammelt hat. Das Programm, das sie im Herkulessaal auf die Bühne bringt, ist mit Chopin, Liszt und Strawinsky entsprechend ambitioniert. Das gelingt ihr gut, wenn es einen Interpretationsrahmen gibt, in dem sie ihre Ideen entfalten kann.

Guido Agostis höllische Feuervogel-Transkription bietet diesen konkreten Rahmen. Die drei letzten Sätze aus der 1919 von Strawinsky zusammengestellten Konzertsuite - Höllentanz, Wiegenlied und Final-Apotheose - sind bei Gevorgyan intensiv-irisierendes Farbenspiel. Die archaische Architektur, die Klangextreme mit abgründiger, stampfender Tiefe und schillernden Glissandi in der Höhe arbeitet Gevorgyan genüsslich heraus. Wie sie das einfache Thema des Finales zum hymnischen Jubelgesang ummünzt, ist beeindruckend. Ähnlich unbeschwert dürfen bei ihr auch die "Valses brillantes" von Chopin atmen. Solange sie die Themen mit jugendlicher Frische und Heiterkeit vortragen kann, ist sie auf der sicheren Seite; das gilt auch für Liszts Rhapsodie Espagnole.

Schwieriger wird es aber, wenn die Musik nicht unmittelbar greifbar ist. Mit der sublimen Melancholie der H-Dur-Nocturne Op. 62/1 kann Gevorgyan noch nicht viel anfangen und beim Scherzo E-Dur op. 54 bleibt das Virtuose zu häufig Selbstzweck, den sie zwar mit makelloser Technik vorträgt, in einen übergeordneten Interpretationsrahmen jedoch noch nicht ganz einzubetten weiß. Am Ende spielt sie als Zugabe eine Eigenkomposition, die sie wieder in ihrer Paraderolle als Meisterin des rasanten Farbenspiels mit perligen Läufen in Szene setzt.

© SZ vom 29.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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