Kurzkritik:Unbändig kreativ

Lesezeit: 1 min

"Live Music Now" mit Arabella Steinbacher im Herkulessaal

Von Paul Schäufele, München

Musik ist eine schöne Sache. Wirklich existenziell kann sie aber nur für den werden, der sie im Entstehen, live, erlebt. Das ist nicht jedem möglich. Junge Ausnahmemusiker mit Menschen zusammenzubringen, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht ins Konzert gehen können, das ist die Idee der Organisation "Live Music Now". Und es war wohl vor allem das Wirken Yehudi Menuhins, das dem Projekt einen langen Atem verlieh und für ständig nachkommenden hochbegabten Nachwuchs sorgte.

Wie also könnte man das diesjährige Benefizkonzert im Herkulessaal besser bestreiten als mit der Ausnahmegeigerin Arabella Steinbacher und dem Symphonieorchester der Münchner Musikhochschule? Bei Beethovens dritter Leonoren-Ouvertüre wirken die Jungmusikerinnen und -musiker unter Marcus Bosch noch etwas verschlafen. Bequemes Abspielen und allzu wuchtige Opernakkorde stehen merkwürdig unverbunden nebeneinander. Ganz anders klingt es, wenn die Solistin des Abends hinzutritt. Arabella Steinbachers Phrasierungsintelligenz, ihre unbändige Kreativität verwandeln auch den Orchesterklang. Als wäre es eine gemeinsame Improvisation: keine Passage wie die vorhergehende, mal zupackend, mal süß zerfließend. Darüber strahlt die Solostimme und schafft das Paradox, silbrig zu schimmern und zugleich warmen Charme zu vermitteln. Steinbacher trifft ins Zentrum des Tones, im festlichen Kopfsatz, in der eleganten Mitte, im tänzerischen Finale - ein komponiertes Lächeln.

Die vertrackte Kreisler-Zugabe gibt Raum für Steinbachers bei aller äußerlichen Zurückhaltung geradezu hypnotisierende Virtuosität. Diese fordert auch Strawinskys Ballettmusik zu "Petruschka" ein. Das Hochschulorchester agiert als Tuttivirtuose und präsentiert die Musik der frühen Moderne als vielfarbiges Kaleidoskop, einen Bilderbogen, in dem allerlei Fratzen und humpelnde Figuren mit Lust aufs Tableau gebracht werden. Die jungen Musiker bieten Engagement und Charakterisierungskunst und machen aufs Schönste deutlich, warum ein echtes Musikerlebnis nur live wirken kann.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: