Über die schwarzen Gläser seiner Sonnenbrille huschen die weißen Blitze des Stroboskops. Regungslos steht Trettmann mit vor der Brust verschränkten Armen auf der Bühne, den Kopf in den Nacken gelegt. Still wie eine antike Statue, die Wind und Wetter seit Jahrhunderten trotzt, harrt der Mann mit der weißen Basecap und dem schwarzen Kapuzenpullover sekundenlang in aufbrandenden Jubelstürmen der Tonhalle.
Stefan Richter, wie Trettmann bürgerlich heißt, ist 46 Jahre alt. 2019 zählt er zu den einflussreichsten Rappern des Landes. Sein Weg dahin ist eine der unglaublichsten Erfolgsgeschichten deutscher Popmusik. Der in Chemnitz aufgewachsene Musiker macht bis in seine frühen Vierziger Reggae auf Sächsisch. Als Proto-Ossi "Ronny Trettmann" parodiert er Dancehall-Klischees, einer seiner größten Hits ist einem ostdeutschen Schnaps gewidmet. Als er das Berliner Produzententeam Kitschkrieg kennenlernt, entsteht die Idee zu einem neuen Projekt: "Trettmann". Seine warme, raue Stimme und ihre kühle, technoide Soundästhetik harmonieren. Gemeinsam schreiben sie 2016 für den damals 43 Jahren alten Newcomer, sein spätes Debütalbum "D.I.Y.".
Dass die Zusammenarbeit mit Kitschkrieg Trettmann nicht nur musikalisch, sondern auch visuell neu erfunden hat, lässt sich am Dienstagabend eindrucksvoll beobachten. Wie die Musikvideos und Albumcover, die das Berliner Kollektiv mit ihm zusammen entwickelt hat, ist auch die Bühnenshow monochrom, minimalistisch, schwarz-weiß. Motivisch passend zu Hits wie "Grauer Beton", "Billie Holiday" und "Standard" zeigt eine Videowand Bilder von Plattenbauten, Skylines und karibischen Stränden, denen man die Farben genommen hat. Im Flickern und Flackern der Palmenprojektionen hält der große, hagere Mann mit der dunklen Sonnenbrille dann inne - schaut in die ausverkaufte Halle und schüttelt den Kopf. Vielleicht kann er nicht fassen, dass wieder so viele Menschen gekommen sind.