Kurzkritik:Schmachtend

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Der Cellist Pablo Ferrández beim BR-Kammerorchester

Von Michael Stallknecht, München

Mit galanter Verbeugung reicht der Cellist Pablo Ferrández seinen Blumenstrauß weiter an die Orchestercellistin, die den Orgelpunkt ausgehalten hat während seiner Kadenz im langsamen Satz von Carl Philipp Emanuel Bachs A-Dur-Konzert. Keine Frage: Der junge Spanier weiß, wie man Herzen gewinnt, zum Beispiel mit dieser Kadenz, einem berückend freischwebenden, wie improvisiert wirkenden Moment, in dem bei der Matinee des Kammerorchesters der BR-Symphoniker im Prinzregententheater die Zeit stehenbleibt. Wie er überhaupt den langsamen Satz mit großer Innigkeit auskostet, ihn, wenn auch anfänglich unsauber in der Intonation, mit einer präromantischen Gefühlsintensität füllt.

Deutlich problematischer wirken die Ecksätze, in denen der Solist im Sinne der Musizierpraxis des 18. Jahrhunderts primus inter pares bleiben müsste, was Ferrández merklich schwer fällt. Er hat eine beachtliche Karriere vor allem mit den großen romantischen Virtuosenkonzerten hingelegt. Wohl um sie solistisch zuzuspitzen, bügelt er harsche Akzente in die Figuration, die darüber manieristisch zerfällt. Wie gern Ferrández auf Effekt setzt, spürt man auch beim katalonischen Weihnachtslied "El Cant Dels Ocells", das im Arrangement von Pablo Casals bekannt wurde. Ferrández lädt es mit einem Vibrato auf, das es an die Grenze zum Schmachtfetzen bringt. Und zur Zugabe zerdehnt er die Sarabande aus Johann Sebastian Bachs C-Dur-Cellosuite, bis sie jeden rhythmischen Zusammenhalt verliert.

Der Auftritt wirkte umso anachronistischer, als das Kammerorchester der BR-Symphoniker sich deutlich an den Idealen der historischen Aufführungspraxis orientiert. Man spielt im Stehen, angeleitet vom Konzertmeister Radoslaw Szulc am ersten Pult. Carl Philipp Emanuel Bachs Hamburger Symphonie in h-Moll Wq 182/5 und Joseph Haydns D-Dur-Symphonie Hob. I/57 gelingen dabei ebenso elegant wie voller Verve, lebendig phrasiert, mit fein gesteigerten Binnendynamiken und souverän in der großformalen Anlage.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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