Natürlich wäre man versucht, bei einer munter marschierenden Orchesterbegleitung dem Sitznachbar zuzunicken: "Das könnte ja auch im 'Barbier' stehen." Doch was die Kammeroper München aus Gioacchino Rossinis "Petite messe solennelle" macht, hat nichts mit Opernklischees zu tun. Das Ensemble unter Leitung von Johanna Soller nimmt Rossinis Spätwerk in seiner liturgischen Verfasstheit ernst, ohne den melodischen Schwung und die harmonische Kreativität abzuflachen, die das Stück zur Lieblingsmesse der Opernnarren machen. Vielmehr treten hier religiöse Grundierung und musikalische Diesseitigkeit ideal zusammen.
Das liegt auch am Arrangement der Partitur durch Alexander Krampe. Die schon immer etwas schräge Instrumentierung mit Klavier und Harmonium wird hier übersetzt in eine Fassung für Kammerorchester, farbenreich und durchsichtig. Besonders im "Preludio religioso" zeigt sich die Schönheit dieser Version. Was sich auf dem Klavier in die Länge zieht, wird hier zum faszinierenden Spiel mit nicht ganz so strengem Kontrapunkt. Das Instrumentalensemble stützt das Vokalconsort, einen handverlesenen Chor aus jungen Sängerinnen und Sängern. Engagiert gestalten sie etwa das temperamentvolle "Cum sancto spiritu". Davon hebt sich mit schwebendem Klang das "Credo" ab, dessen konkreten Gegenpol die sinnlichen Stimmen der Solisten bilden: Gabriel Rollinsons flexibler Bass, Magnus Dietrichs expressiver Tenor, Susan Zarrabis geschmeidiger Alt und Flore van Meerssches schön timbrierter Sopran. Jenseits dieser außergewöhnlichen musikalischen Leistung hat die Kammeroper München es geschafft, die Messkomposition für den interreligiösen Dialog zu öffnen. In kurzen Wortbeiträgen legen Imam Benjamin Idriz, Äbtissin Carmen Tatschmurat und Rabbiner Tovia Ben-Chorin ihre Sicht auf die Messe dar, nachdenklich und ohne Differenzen zu verschleiern. Worin man sich einig ist: Dass Musik verbindet, zumal wenn sie so exzellent dargeboten wird wie hier.