Kurzkritik:Rap und Respekt

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Loyle Carner lehrt in der Muffathalle Achtsamkeit

Von Ralf Dombrowski, München

Einige Themen kommen immer wieder. Haltung, Selbstrespekt, das eigene Erleben. Loyle Carner widmet aber auch Immigranten, diesen "wichtigsten Menschen der Welt", einen Song - ohne den Hintergedanken, korrekt zu sein, sondern weil es ihm schon aus familiären Gründen ein Bedürfnis ist. Seine Mutter ist weiß, sein Vater stammte aus Guyana, er selbst wuchs im Südosten Londons auf und lernte kulturelle Vielfalt als einen positiven Wert kennen, der sein Selbstbewusstsein bestimmt. Einer seiner immigrierten Freunde, der britisch-israelische Szene-Koch Yotam Ottolenghi, in dessen Kursen Carner seine Anlagen zu ADHS mit kulinarischer Kreativität bekämpfte, wird auch mit einem Song bedacht.

Immer wieder geht es um Bewusstsein, um den Einzelnen, der sich den Herausforderungen stellt. Und Carner selbst präsentiert sich als Vorbild dessen, was er rappt. Mehrfach bedankt er sich in der Muffathalle höflich beim Publikum, das sich mit jedem seiner Konzerte in München mindestens verdoppelt hat. Er ist sichtlich bewegt von den Menschen im Raum, die sich von seinen Liedern mitnehmen lassen.

Und er bietet ihnen eine raffiniert ausbalancierte Mischung aus Retro-Beats und Midtime-Grooves, die trotz der zahlreichen verbalen Botschaften den Fokus darauf legt, sich von der Musik tragen zu lassen. Drei Bandkollegen an Pult, Bass und Keyboards rahmen ihn einschließlich kurzer Tenorsaxofoneinlagen mit souligen, jazzigen Vibes, die auf den heftigen Wumms zugunsten einer energetischen Eleganz verzichten. Überhaupt ist Carner ein Meister der pointierten, flirrend gewichteten Schichtung von Wörtern. Sein Flow vermeidet alles Hektische, ist Spoken Word näher als den heftigen Tiraden mancher Kollegen. So gelingt ihm im ausverkauften Haus das Kunststück, ganz bei sich und zugleich bei seinem Publikum zu sein, ein Botschafter der rappenden Achtsamkeit, wie ihn sowohl die Szene, als auch seine rhetorisch überhitzte Heimat gut brauchen kann.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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