Kurzkritik:Politisch unkorrekt

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"Ela fliegt auf" in der Schauburg uraufgeführt

Von Sabine Leucht, München

Das Taxi ist der Knüller. Es ist ein Spielzeugauto, blinkt wie ein großes und seine Passagierin läuft hinter ihm her. Sie sucht Ela, die Mitja und Mira sucht. Die beiden sind weggelaufen, um ihre Eltern zu "retten", denn in Mitjas Kopf ist der Zaun, von dem er gehört hat, riesengroß geworden. Und wie erklärt man einem behinderten Jungen, dass der Zaun nicht um Mallorca herumführt und auch zwar für solche wie Ela, aber nicht für seine Mutter gelten würde? Wie erklärt man das überhaupt?

In Maja Das Guptas "Ela fliegt auf" hat Mitjas Mama die minderjährige Ela mit Mitja alleingelassen für ein Liebeswochenende mit Miras Papa. Das fliegt auf - und später kommt auch noch raus, dass Ela nicht Mitjas "richtige" Schwester ist, sondern ein Flüchtlingskind mit "ungeklärtem Aufenthaltsstatus". Doch in Grete Pagans Uraufführungsinszenierung an der Schauburg ist das nur der Wurmfortsatz einer Geschichte, in der es auch so schon um Vieles geht: Überforderung, Doppelmoral und political correctness etwa, die hier lustvoll unterlaufen wird: Die ziemlich aufgeweckten Kinder beschimpfen sich wechselseitig als "Zittertante" und "Sprachspast" und mobben die Frau vom Amt als "fette Kuh". Das wird schon mal etwas überstrapaziert und der Märchenschluss wirkt angepappt. Was Pagan mit Goldregen ironisiert, wie sie überhaupt den Irrwitz der Situationen ausstellt und aus einer lockeren Live-Hörspielsituation heraus Genres an- und extreme Emotionen aufruft.

Gruselschocker und Western, Family Sitcom und Musical werden herbeizitiert. Den fetten Bühnennebel gießen die fünf Schauspieler eigenhändig auf David Hohmanns Drehbühne, auf der schwarze Baumumrisse mächtige Schatten werfen. Gespielt aber wird vor allem an der Rampe, wo die prächtig aufgelegten Akteure die Namenszüge auf ihren T-Shirts entblößen, wenn sie in der Rolle sind, aber auch flugs vom epileptischen Anfall zur Gitarre, zu den Tasten oder zum Mikrofon greifen. Ein antiillusionistisches Bühnenfest!

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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