Kurzkritik:Ohne Worte

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"Godspeed You! Black Emperor" im Technikum

Von Jürgen Moises, München

Keine Einmärsche in fremde Länder mehr. Keine Grenzen. Und die Anerkennung, dass medizinische Versorgung, Wohnen, Essen, Trinken unveräußerliche Menschenrechte sind. Diese Forderungen konnte man vor zwei Jahren auf dem Beipackzettel zum Album "Luciferian Towers" von Godspeed You! Black Emperor lesen. Beim Auftritt der kanadischen Postrock-Legende im Technikum hörte man solche Parolen nicht. Aber so kennt man das von der vor 25 Jahren gegründeten, sich als dezidiert links-politisch verstehenden Band aus Montreal: dass sie live komplett auf Worte verzichtet. Und stattdessen nur ihre Instrumentalmusik und Filmbilder sprechen lässt, die zwei Super-8-Projektoren auf eine Leinwand werfen.

Das heißt: Zunächst gibt es nur ein Brummen. Dann sorgen die Geigerin Sophie Trudeau und der Bassist Thierry Amar für erste Schwingungen, bis mit einem weiteren Bassisten, zwei Schlagzeugern und drei Gitarristen die achtköpfige Besetzung auf der Bühne ist. "Hope Drone" heißt das sich sukzessiv aufbauende, flirrende Eröffnungsstück. Das Wort "Hope" ist dabei in gestrichelten Buchstaben im Hintergrund zu lesen. So "hoffnungsvoll" geht es visuell aber nicht weiter. Man sieht Natur, Nachthimmel, Straßenkämpfe, und beim abschließenden "The Sad Mafioso" steht die Welt in Flammen.

Zwei alte Stücke, drei von "Luciferian Towers" und mit "Glacier" und "Cliff" zwei neue Songs - das reicht bei den Kanadiern für knapp zwei Stunden Konzert. Ein Höhepunkt: das elegische "Anthem For No State" mit überraschenden Western-Anklängen. Bei "Undoing A Luciferian Towers" und "Cliff" sorgt die Freejazz-Saxofonistin Mette Rasmussen aus dem Vorprogramm für zusätzlichen Wirbel, der bei Godspeed genau so wie die mal majestätisch aufbrausenden, mal kakofonisch in sich zusammenfallenden Riffs die Wirren einer aus den Fugen geratenen Welt abbildet. Womit die nur selten live auftretende Truppe mal wieder wie die Band der Stunde wirkt.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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