Kurzkritik:Ohne Flötentöne

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Martin Barre und seine Band spielen viel "Jethro Tull"

Von Ralf Dombrowski, München

Einst behaupteten Martin Barre und seine Kumpanen, sie wären zu alt für Rock'n'Roll, jedoch noch zu jung zum Sterben. Seitdem sind mehr als vier Jahrzehnte ins Land gegangen und das mit der Musik ist noch immer aktuell. Denn der Gitarrist aus Birmingham, der neben Sänger Ian Anderson bis zur Auflösung von Jethro Tull den Bandsound prägte, hat keine Ambitionen, sein Instrument niederzulegen. Warum sollte er auch, wo es ihm derzeit mehr denn je Spaß zu machen scheint, die alten Prog-Rock-Hymnen und darüber hinaus satten, lauten Blues zu spielen.

Der Unterschied liegt lediglich in der Größe der Bühnen, auf denen er jetzt umher tanzt, und im Fokus auf seine Person, was mit Andersons legendärem Ego in der Band schlecht funktioniert hat. Dabei wird im Bayerischen Hof schnell klar, wie zentral Martin Barre für den Sound von Jethro Tull war. Denn das charakteristische Wechselspiel von singenden Melodien im angezerrten, nach Rock-Maßstäben formschönen Gitarrenklang, von kernig trockenen Rhythmen und kompakt komprimierter, effektvoller Solistik übernimmt er mit viel Enthusiasmus in seine Tourneerunde zum 50. Gründungsjahr der alten Recken. Vor allem aus den frühen Phasen gibt es viel zu hören, von "War Child" und "Bungle In The Jungle" bis "Aqualung", "Heavy Horses" und "Songs From The Wood", einschließlich "Locomotive Breath" zum Abbinden der Stimmung in der Zugabe.

Aus alten Tagen sind außerdem die Keyboarderin Dee Palmer und der Schlagzeuger Clive Bunker im Team, der sich bei vielen Stücken von seinem jüngeren Kollegen Darby Todd doppeln lässt, um noch mehr Power aus dem Set zu holen. Dan Crisp hingegen schafft es nicht, die knorrige Stimmlage Andersons zu treffen, sondern erweist sich als versierter, aber ein wenig harmloser Bluessänger. Flötentöne sich auch keine zu hören. Das Publikum ist trotzdem entzückt, denn es bekommt ein Quasi-Tull-Konzert im kleinen Rahmen serviert. Und Ian Anderson hat eigentlich nur an wenigen Stellen gefehlt.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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