Kurzkritik:Lob der Zweisamkeit

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Kenny Wayne Shepherd und Beth Hart auf Tollwood

Von Oliver Hochkeppel, München

Doppelkonzerte können problematisch sein, für die Künstler wie fürs Publikum. Bei dem Abend mit Kenny Wayne Shepherd und Beth Hart auf Tollwood aber ergab sich die perfekte Ergänzung. Zuerst also kam der neue König der Rock- und R'n'B-Gitarre. Wobei der ja so neu gar nicht ist. Der 42-jährige Shepherd stand ja schon als 13-Jähriger mit Bryan Lee und Stevie Ray Vaughan auf der Bühne und hat seit 1995 in steter Folge erstklassige Alben veröffentlicht.

Außerhalb der USA freilich ging sein Stern erst in diesem Jahrzehnt auf, und im Tollwood-Zelt konnte man sehen, warum er auch hier den Platzhirschen wie Jeff Beck oder Joe Bonamassa den Rang abläuft: Innerhalb des musikalisch doch beschränkten Genrerahmens zwischen Blues-Ballade und treibender Rock-Nummer hat er einen wirklich eigenen Instrumentalstil gefunden. Abgesehen von der stupenden Virtuosität kann er aus dem Stand zwischen soft und ruppig umschalten, die Motive auch mal verschleppen und selbst lange Soli ohne zuviel Jaulen atemberaubend spannend halten.

Darin gleicht ihm Beth Hart, die ja auch in einem Augenblick von zerbrechlich auf Rockröhren-Attacke umschalten kann. Im Gestus freilich sind beide komplementär verschieden. Shepherd zieht die Sache stoisch und perfekt durch, Hart ist ganz dem Publikum (oder auch mal einem Ordner) zugewandt, ein im Augenblick lebender Gefühlsmensch. So offen redet sie über ihre Jugend (mit einer unentdeckten bipolaren Störung und resultierender Drogensucht), so anrührend besingt sie ihre Mutter, so aus Erfahrung gespeist klingen aus ihrem Mund die eigenen Texte über Liebe und Leid wie die von Melody Gardot oder Ella Fitzgerald, dass man sich fast Sorgen macht. Obendrein kam sie mit blutunterlaufenen Augen auf die Bühne, die sie sich angeblich "vor Begeisterung am Schlagzeug" geholt hatte. Umwerfend jedenfalls, wie begeistert sie Shepherd zur gemeinsamen Zugabe begrüßte und umarmte. Alles gut, am Ende.

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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