Kurzkritik:Gold statt Grau

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Star der Elbphilharmonie: Die Organistin Iveta Apkalna

Von Klaus P. Richter, München

Es fängt ganz harmlos an, mit etwas leichtfertigem Tastengeplänkel über 28 lange Takte in spielerischen Sechzehntel-Girlanden. Bis dann plötzlich das massive Tutti des Grave hervorbricht, komplex und durchgängig fünfstimmig, eine monumentale Klangkathedrale: der Mittelteil von Bachs G-Dur-Fantasie, die wegen der Anfangsspielereien im "Trés vitement" und im Finale mit "Lentement" auch als "Piéce d'Orgue" figuriert.

Die Titularorganistin der Hamburger Elbphilharmonie Iveta Apkalna baute diesen großen Bach im Herkulessaal mit planvoller Verve und intensiver Konzentration auf. Aber sie spielte auf die große Fläche, und dabei kamen einige der hintergründig-mystischen Episoden des Werks etwas zu kurz. Doch die "französischen" Anklänge, die bei Bach nur als kokette Einrahmung dienen, waren das Portal für das weitere Programm mit hochkarätiger französischer Orgelromantik.

Schon bei César Franck führte die lettische Organistin, ganz in blendend-leuchtendes Weiß gekleidet, bei Prélude, Fuge und Variationen op. 18 ihre Registrierkünste vor. Noch ausgefeilter bei Louis Vierne, wo sie im Intermezzo seiner dritten Sinfonie dessen pointilistische Diktion als avantgardistischen Expressionismus ausspielte und im Adagio einen bewegenden romantischen Sensualismus.

Höhepunkt aller Registrierkünste als Klangfarbenkaleidoskop war dann das Finale. Dort entfesselte Iveta Apkalna, nach einem Garderobenwechsel zu mehr Gold im Weiß, die geballte konzertante Klangfantasie der fünften Orgelsinfonie von Charles-Marie Widor. Es war eine Demonstration neuen Orgel-Starkults, wie sie auch Kollege Cameron Carpenter so spektakulär vorführt: Vorbei die Zeit, da die Organisten als graue Mäuse versteckt hinter dem Rückpositiv ihrer Kircheninstrumente agierten.

Im auch optisch so effektvollen konzertanten Auftritt entlockte der Star aus Hamburg dann im Allegro cantabile der "deutschen" Steinmeyer-Orgel das meiste "französische" Flair und in der berühmten Toccata höchste virtuose Brillanz. Als besinnliche Zugabe mit "pastoralem" Ambiente gab es den Quartettsatz aus der Arie "Schafe können sicher weiden" von Bachs "Jagdkantate" (BWV 208).

Hinweis: In einer früheren Fassung hieß es irrtümlich, die pastorale "Sinfonia" aus dem Bach-Weihnachtsoratorium sei als Zugabe gespielt worden. Wir haben das aufgrund von Leserhinweisen korrigiert.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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