Kurzkritik:Experimentell

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Uraufführung mit Pianist Jon Balke

Von Ralf Dombrowski, München

Die Worte von Yusef Komunyakaa hätten eine besondere Qualität, meint Jon Balke, sowohl phonetisch, wie auch in der Rhythmisierung und der musikalischen Klangtiefe. Außerdem dichte er in vielen Bildern offen für Assoziationen und damit in hohem Maße geeignet für eine Adaption durch ihn und die Trondheim Voices. So ist "A World Of Daughters" nach "On Anodyne" nun bereits das zweite Projekt, in dem sich der norwegische Komponist gemeinsam mit dem experimentellen Vokalensemble einem Poem des amerikanischen Schriftstellers und Pulitzerpreisträgers beschäftigt. Übrigens, fügt Jon Balke noch hinzu, sei Komunyakaa völlig unvoreingenommen in Bezug auf den kreativen Umgang mit seinen Versen.

Und so konnten die Trondheim Voices und das Münchener Kammerorchester unter der Leitung von Clemens Schuldt den Text fragmentieren, neu schichten und einem musikalischen Ablauf zuordnen, der gerade das Kontrastive der Vorlage herausarbeitete. Die Uraufführung von Balkes "A World Of Daughters", die die zweite Konzerthälfte in der Allerheiligen Hofkirche einnahm, war daher eine kompakte, eng mit den Themen der Menschwerdung und des Menschseins verschränkte Adaption von Klangstimmungen, die motivisch zyklisch dem Orchester viel spontane Anmutung verordnete. Trotz verbalem Pathos fehlte der moralische Fingerzeig, wobei das Zusammenspiel von dezenten Electronics, verstärkter und mit umsichtigen Effekten ergänzter Stimmen und der organischen Wirkung des Orchesters durch seine Stimmigkeit beeindruckte.

Überhaupt wirkte das Programm, das außerdem Auszüge einer Suite mit Jon Balke als Pianist und einem Streichquartett, ein Miniatur-Klavierkonzert und eine vokale Raum-Surround-Installation umfasste, künstlerisch sehr homogen. Wort, Technik, Experiment und Tradition harmonierten aus dem Geiste eines an der Improvisation geschulten Komponisten, der in der Kombination der gestalterischen Mittel noch einen Schritt weiter als in seiner üblichen Arbeit kam. Ein schönes Projekt.

© SZ vom 12.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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