Kurzkritik:Eine Wucht

Die BR-Symphoniker unter Ricardo Muti im Herkulessaal

Von Klaus P. Richter, München

Man war gespannt, wie der Neapolitaner Ricardo Muti mit Franz Schubert umgehen würde. Die Ouvertüre C-Dur "im italienischen Stil" als Entree im Herkulessaal machte es ihm leicht. Er behandelte dort Schubert auf den Spuren von Rossini mit eleganter Delikatesse und Raffinesse. Dann aber ging es bei der "Unvollendeten" in h-Moll um den Ernstfall bekennender Sinfonik. Muti machte jetzt die Subtilität zum Ausdruck des Abgründigen hinter trügerischer Liedkantilene und stellte sie in hochdramatisch aufgeladener Dialektik den jähen Ausbrüchen fataler Verzweiflung gegenüber, großartig realisiert vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: ein existenzialistischer Schubert.

Wer dann bei Schuberts Messe in Es-Dur (D 950) auf geistlichen Trost und dramaturgische Entspannung hoffte, kam nicht auf seine Kosten. Denn auch in Schuberts längster und komplexester Messkomposition ging es recht dramatisch zu. Ricardo Muti gestaltete diese Transformation der alten Liturgiefeierlichkeit in subjektive konzertante Sinnlichkeit mit der expressiven Wucht des BR-Chores (Einstudierung: Stellario Fagone), eindringlichen Solisten (besonders der Sopranistin Ilse Eerens und Tenor Maciej Kwaśnikowski) und viel Posaunen zwischen Adagio-Idyllen, Duett-Arabesken und chromatisch gespannten Fugati. Erst im "Dona nobis pacem" kehrte dann musikalischer Seelenfrieden ein. Begeisterter Jubel für den Dirigenten Muti, der seit 38 Jahren zu den BR-Sinfonikern kommt.

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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