Kunst:Bilder betreten

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Ein Haus aus Holz und Leinwänden hat Esther Zahel zum Ende ihres Studiums in der Münchner Kunstakademie abgeliefert. (Foto: Akademie der Bildenden Künste)

Die erste Diplom-Ausstellung des Jahres an der Akademie

Von Jürgen Moises, München

Auf Postkarten vom Bodensee, da gibt es normalerweise Sonne, Wasser, schöne Landschaften zu sehen und was dort sonst an Touristenattraktionen vorkommt. Was man nicht sieht, sind die Waffen, die dort von mehr als 20 Firmen produziert werden. Damit auch diese Ingenieursleistungen ins Blickfeld rücken, hat Bianca Patricia Isensee ihre eigenen Karten gebastelt. "Grüße vom Bodensee" ist darauf zu lesen, umrahmt von Schusswaffen, Raketen und Panzern. Und auf der Rückseite stehen die Internetadressen der Hersteller. Für eine weitere Arbeit hat Isensee die Porträts von Waffen-Ingenieuren und Lobbyisten auf Anzugstoff gemalt. Sie hat Videos gesammelt, auf denen sich Menschen in Parlamenten kloppen. Und das alles, um zu zeigen, wie eng Krieg und Frieden auch in Demokratien verschränkt sind. Was ihr sehr eindringlich gelingt.

Die Werke von Bianca Patricia Isensee gehören damit sicher zu den politischsten in der diesjährigen Diplom-Ausstellung der Münchner Kunstakademie. Wobei man korrigieren muss: in der ersten Diplom-Ausstellung dieses Jahres. Denn weil seit Winter eine neue Studienprüfungsordnung gilt, wird im Sommer eine zweite Diplom-Ausstellung folgen. Diese wird dann, in die Jahresausstellung integriert, nach den neuen Regeln abgehalten.

Für die Studenten bedeutet das gewisse studienorganisatorische Vorteile, aber auch eine leicht stärkere Verschulung. Für den Besucher eigentlich nur, dass die aktuelle Ausstellung mit Werken von 28 Diplomanden vom Umfang her ein bisschen kleiner und auch konzentrierter ausfällt. Der Vorteil: Man kann noch tiefer in die Werke eintauchen. Etwa ganz konkret bei Esther Zahel, die aus Leinwand und Holzrahmen ein Haus gebaut und es innen bemalt hat. Weil ihr die Vorstellung von einem Gemälde gefiel, in das man als Betrachter hineingehen kann. Auch eine Arbeit von Frank Moll, für die er aus 57 600 Holzkeilen einen Fußboden geschaffen hat, kann und soll man betreten. In seinen Werken gehe es ihm, erzählt Moll, um die malerischen Grundmittel, wie er sie auch in seinen Gemälden durchdekliniert. Ähnliches macht auch Charlotte Giacobbi in ihrer Malerei, indem sie Farbe mit farbigen Stoffen konstruktiv verbindet.

Wieder etwas politischer wird es bei Mehmet und Kazim Akal, die unter dem Namen "Kissing Cousins" rot-weiße Comics kreieren. Diese sind vom Hip-Hop und der türkischen Kultur beeinflusst, in welcher der Comic, erzählen sie, ein wichtiges politisches Medium darstellt. Weil er viele Freiheiten erlaube. Rupert Jörg lässt in "The Little Richard Experiment" seine Mutter und seinen Bruder Experimente exerzieren, die in den Sechzigern an Kindern durchgeführt wurden. Andreana Dobreva versetzt in ihrer surrealen Malerei Motive des Barock und Rokoko in Auflösung. Und Kalas Liebfried bringt in einer Installation vier Verstärker und vier Gitarren aus Beton in Stellung, die sich tatsächlich bespielen lassen. Das wird er jeden Abend um 19 Uhr auch tun, und dafür sorgen, dass man die sehr sehenswerte Ausstellung, mit der sich 28 Studenten und die alte Prüfungsordnung verabschieden, auch akustisch in Erinnerung behält.

Diplom 2019 , Dienstag, 5. Februar, 19 Uhr: Verleihung und Eröffnung der Ausstellung, Akademie der Bildenden Künste, bis Sonntag, 10. Februar

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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