Konzert:Fernes Echo

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Hörbar angeschlagen: Roland Orzabal von „Tears for Fears“. (Foto: REUTERS)

"Tears for Fears" sind in München eher Schatten ihrer selbst. Zum Glück ist nichts so robust wie die Erinnerung an gute alte Zeiten.

Von Andrian Kreye

Hin und wieder begreift man, dass die alte Popstarfloskel, das er oder sie nichts wäre ohne die Liebe des Publikum, mehr ist, als nur Anbiederung. Beim Konzert von Tears for Fears auf dem Münchner Tollwood-Festival zum Beispiel.

Das britische Duo aus Roland Orzabal und Curt Smith hat nicht nur ein paar Schlüsselhits der Achtzigerjahre geschrieben ("Shout", "Everybody Wants To Rule the World"), sondern auch zwei sagenhafte Alben produziert. 1989 "Seeds Of Love" und 2004 das eigentlich noch bessere, zu Unrecht untergegangene "Everybody Loves A Happy Ending". Beide waren brillante Brückenschläge zwischen exzessivem Studioperfektionismus und seelenvollen Pophymnen. Alleine an "Seeds Of Love" arbeiteten die beiden zwei Jahre lang. Was auch den Streit auslöste, der sie 1990 nach der Tour zum Album mehr als zehn Jahre lang trennte. Gerade die Gabe, instrumentale Schichten, in denen jeder Beckenschlag, jedes Nebenmotiv sitzt, virtuos übereinanderzutürmen und dabei die Überwältigungsmaschine mit emotionalen Spannungsbögen zu wahrer Größe zu führen - gerade diese Gabe machte den Auftritt in München allerdings so rätselhaft.

Es fällt einem als Kritiker immer schwer, über die Schwächen eines Musikers zu schreiben, dem es so offensichtlich nicht gut geht, aber die Schwierigkeiten Orzabals, mit seinem eigenen Material umzugehen, die Unsicherheiten in der Interpretation, die sichtliche Anstrengung und nicht zuletzt seine großen Probleme mit der Intonation, machten es streckenweise schwer, die alten Helden zu feiern. Dass die sonst so symphonische Wucht des Repertoires bloß von einer Rumpfband gespielt wurde, kam erschwerend hinzu.

Das Publikum hatte ohne die Bürde der professionellen Strenge kein Problem damit. Jeder bekannte Akkord wurde mit Jubel begrüßt, ganze Strophen wurden mitgesungen. Curt Smith wirkte auch sehr viel stabiler. Gastsängerin Carina Round übernahm die Passagen der Soulsängerin Oleta Adams mit erstaunlicher Souveränität. Aber es war eben Orzabals für die Achtzigerjahre so typische Tenorpathos, das Tears For Fears so besonders gemacht hatte. Und die Beschwörung dieses Pathos missglückte gründlich.

Andererseits geht es bei 30 Jahre alten Hits um mehr als musikalisches Handwerk. Wer in den Achtzigern jung war, erlebte noch das goldene Zeitalter des späten 20. Jahrhunderts. Und die Musik bescherte einem an diesem Abend genügend Flashback-Momente, um in wunderbaren Erinnerungen schwelgen zu können.

Anm. d. Red.: In einer frühen Fassung des Textes stand fälschlicherweise, die Sängerin Alison Moyet hätte die Passagen von Oleta Adams gesungen. Alison Moyet bestritt allerdings das Vorprogramm, das der Rezensent verpasste, weil er die Anreisezeit zum Festivalgelände unterschätzt hatte.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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