Kino:Prominentes Wiehern in Fröttmaning

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Die "Ostwind"-Filme sind ein großer Erfolg. Im "Cavalluna"-Showpalast ist kürzlich der fünfte und letzte Teil abgedreht worden

Von Barbara Hordych, München

Ari steht alleine in der Arena und sieht in den künstlichen Himmel. Über ihr leuchten Hunderte Sterne an der Decke des "Cavalluna"-Showpalasts. Die Anlage in Fröttmaning dient als Spielstätte eines Pferde-Wanderzirkus in dem fünften und nach Angaben der Produktionsgesellschaften Constantin Film und Sam Film letzten Teil der "Ostwind"-Reihe unter dem Titel "Der große Orkan".

Natürlich befindet sich Ari, gespielt von der 13-jährigen Schweizerin Luna Paiano, nicht alleine in der Arena. Tatsächlich ist sie von einer Filmcrew umringt, als plötzlich jemand aufgeregt ruft: "Ari? Ari!". Es ist der etwa gleichaltrige Zirkusjunge Carlo, verkörpert von Matteo Miska, der mit hastigen Schritten heraneilt. "Mann! Da bist du ja! Du musst mitkommen. Ostwind geht's nicht gut. Irgendwas stimmt nicht", berichtet er atemlos. Weiter kommt er nicht, denn jetzt flammt ein Spot auf, erfasst Ari, was Carlo irritiert in das gleißende Licht blinzeln lässt. Dazu ertönt eine Stimme über den Köpfen der Jungdarsteller: "Das ist gut. Merk dir die Position, Ari. Du wartest auf den Einsatz der Musik und dann ...". Die Stimme gehört zu Gedeon Burkhard, der hoch oben zwischen den blausamtenen Zuschauersesseln am Mischpult der Technikkanzel thront. Der Münchner Schauspieler gibt in Jeans, blauem Hemd und weinroter Weste Yiri, den fanatischen Direktor des Pferde-Wanderzirkus' - und damit den Bösewicht.

"Was soll das?", will Carlo wissen, doch Ari bleibt ihm die Antwort schuldig. Stattdessen ist erneut Yiris Stimme zu vernehmen, die süffisant erklärt: "Ah, Carlo. Wir haben dich schon erwartet." Der Spot erlischt, die Kameras richten sich auf Burkhard alias Yiri, der seinen Platz am Mischpult verlässt und mit geschmeidigen Schritten hinunter in die Arena kommt.

"Als wirklichen Bösewicht würde ich mich eigentlich nicht bezeichnen", sagt Burkhard in der Pause über seine Rolle. "Es ist eher so, dass ich als Direktor das Optimale für meine Show herausholen will, und in der soll eben Ostwind der neue Star werden." Yiri träume davon, mit dem berühmten schwarzen Andalusierhengst in Monte Carlo vor Prinzessin Stéphanie aufzutreten. "Er will mit dieser Pferdenummer einen ,Goldenen Clown', den Oscar der Zirkuswelt, gewinnen", sagt Burkhard. Denn der berühmte titelgebende Vierbeiner "Der große Orkan" ist mittlerweile zu alt, um die anspruchsvollen Aufgaben in Yiris Show zu meistern. Das erkennt Ari, die über ihren neuen Freund Carlo, den Sohn eines Showreiters, in Kontakt mit dem Wanderzirkus kommt. Um Orkan und Carlos Vater zu helfen, springt sie mit Ostwind in der Show ein. Und stellt fest, dass sie Talent zur Trickreiterin und Spaß an der Sache hat. Das macht sich Yiri zunutze.

Im Februar ritt Luna Paiano mit "Aris Ankunft" in die deutschen Kinos ein. (Foto: Constantin Film Verleih)

"Yiri versucht, einen Keil zwischen Ari und Carlo zu treiben, sie gegeneinander auszuspielen", erklärt Lea Schmidbauer. Sie muss es wissen, hat sie doch alle Drehbücher zur "Ostwind"-Reihe geschrieben, dazu die Romanvorlagen, die jedoch erst nach dem Erfolg des ersten Films entstanden sind. Womit die Absolventin der Münchner Filmhochschule sozusagen das Genre "Pferdefilm" in Deutschland erfunden hat. Yiri jedenfalls sehe sie als eine Art "Schlange Kaa", er verfüge über eine hypnotisch-suggestive Kraft, mit der er versuche, Ari für seine Zwecke zu instrumentalisieren. "Generell kann man sagen, dass es in dem fünften und letzten Film um die Verführungen durch Ruhm geht, in denen sich Ari wie in einem Spinnennetz verfängt."

Die bisherigen "Ostwind"-Filme haben in Deutschland jeweils zwischen sechs und acht Millionen Euro eingespielt. "Der große Orkan" soll im Mai 2020 in die Kinos kommen. Nachdem Katja von Garnier die ersten drei Filme und Theresa von Eltz den vierten Teil der Reihe gedreht hatten, war beim fünften Film "die Zeit gekommen, da ich mir die Regie zutraute", erzählt Schmidbauer. Eine Erfahrung, die zunächst einmal ihr Verständnis als Autorin dafür habe wachsen lassen, wenn Regisseure von der Buchvorlage abweichen, räumt Schmidbauer ein. Entsprachen die Dreharbeiten ihrer Vorstellung? "Heute ist mein 41. und damit vorletzter Drehtag", sagt sie. "Hätten Sie mich dasselbe vor 40 Tagen gefragt, hätten Sie eine ganz andere Antwort bekommen. Inwiefern? "Das, wovor ich am meisten Bammel hatte, die Arbeit mit den Kindern, verlief reibungslos; Luna und Matteo sind schon richtig professionell, lieferten ihre Leistung auf den Punkt ab". Luna Paiano übernahm als zwölfjährige Ari im vierten Teil "Ostwind - Aris Ankunft", der im Februar in die Kinos kam, die Hauptrolle von Hanna Binke. Die bleibt als Mika zwar weiterhin dem "Ostwind"-Kosmos erhalten, tritt aber zugunsten der jüngeren und zielgruppengerechteren Newcomerin in den Hintergrund.

Im neuen "Ostwind"-Film avanciert Paiano im "Cavalluna"-Showpalast (mit Gedeon Burkhard und Matteo Miska, rechts) zur Trickreiterin. (Foto: Robert Haas)

Die Schwierigkeiten lagen woanders, erzählt die Regisseurin. "Niemals hätte ich mit dieser Abhängigkeit vom Wetter gerechnet. Wir drehen ja einen Film, der im Sommer spielt. Ein Regentag konnte uns die ganze Arbeit ruinieren, ich war ständig am Regenradar." Nur bei den Innenaufnahmen im Fröttmaninger Showpalast sei sie "wettermäßig ganz entspannt" - bei schönster Münchner Septembersonne übrigens. Vor Kurzem fanden hier Publikumsszenen vor 800 Komparsen statt.

In Wirklichkeit bleibt der Showpalast erst einmal leer. Hat die Regisseurin davon erfahren, dass die Show im Cavalluna Park vorläufig nicht weiter geht? "Ja, und das hat mir wahnsinnig leid getan für die Verantwortlichen, auch wenn ich die Hintergründe nicht kenne", sagt Schmidbauer. Als der Showpalast seinerzeit mit "Equila", eröffnet wurde, "habe ich die Show sogar zwei Mal besucht, weil ich wissen wollte, wie die Trickreiter arbeiten".

Plötzlich ist ein lautes Wiehern zu vernehmen. Das an diesem pferdelosen Drehtag von Gedeon Burkhard stammt. Den hat ein Fernsehreporter aufgefordert, kräftig ins Mikrofon zu prusten. Und schon wird zur "Zwergenklappe" gerufen. Das heißt? "Das ist einer dieser vielen filmspezifischen Ausdrücke, die ich auch erst einmal kennenlernen musste", sagt Schmidbauer und lacht. Die jüngsten des Teams, also Luna und Matteo, hätten am Ende der Aufnahme die Klappe geschlagen. Und laden nun die Crew zu etwas ein. "So viel ich weiß, gibt es Eis", freut sich die Regisseurin.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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