Kino:Morgen kommt die Abrissbirne

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Oskar (Niklas Bruhn) und Matilda (Tinka Fürst) feiern an Silvester die letzte Nacht ihres legendären Clubs. (Foto: DCM/Gordon Timpen, SMPSP)

Punk trifft rechte Innensenatorin: Jakob Lass versemmelt die Verfilmung des Romans "So was von da" über eine exzessive Hamburger Clubnacht.

Von Tobias Kniebe

Manchmal lohnt sich ja doch die Ursachenforschung, wenn ein Film so rundheraus in die Hose geht. Bei "So was von da" fällt der Blick zuerst auf den Roman von 2011, der genauso heißt und als Vorlage diente. Beim Nachlesen zeigt sich aber, dass der Hamburger Clubbetreiber Tino Hanekamp, der darin aus dem wilden Leben eines Hamburger Clubbetreibers berichtet, gar kein übler Erzähler ist.

Er wacht zum Beispiel nach einer Absturznacht in seiner miesen kleinen Bude an der Reeperbahn auf und ärgert sich zum tausendsten Mal über sein Waschbecken, das so klein ist, "dass man nicht einmal einen Welpen darin ertränken könnte". Außerdem über Herrn Müller aus dem dritten Stock, der entweder "um sein Leben hustet" oder Unverständliches in den Hinterhof brüllt. Auf dem Klo liegt aber zur Rettung Marc Aurel, die "Selbstbetrachtungen", aus denen er dann gleich mehrere lange Passagen zitiert.

So ähnlich beginnt dann auch der Film, der aber weder für Welpenertränkungsfantasien noch für den hustenden Herrn Müller noch für Marc Aurel das geringste Interesse zeigt. Beziehungsweise wohl denkt, er habe keine Zeit dafür, weil die Handlung gleich mal ordentlich losrocken muss. Ein fataler Irrtum, denn nach diesem Muster werden auch in der Folge alle interessanten Elemente des Buchs getilgt, während nur die explizit uninteressanten übrig bleiben.

Ausgerechnet der Punk paart sich mit der rechten Innensenatorin

Explizit uninteressant wären unter anderem: Ein Hang zur lyrisch-hysterischen Endzeitstimmung (es ist Silvester und die letzte Nacht jenes legendären Clubs, den der Held betreibt, am Morgen kommen die Abrissbirnen), ein lachhaftes Ultimatum (ein Hamburger Ex-Lude will zehntausend Euro und droht mit gebrochenen Fingern), und absurde Personen-Konstrukte (ein junger Rockstar ist hier das Kind einer deutschen Punk-Legende, gespielt vom "Ärzte"-Mitglied Bela B., UND der rechtsextremen Hamburger Innensenatorin, gespielt von Corinna Harfouch).

Solche Einfälle sind typisch für Erstlingsautoren, die sich an irgendwas entlanghangeln müssen, und man könnte als Filmemacher noch einiges retten, wenn man einen Großteil davon dezent ignoriert. Hier dagegen verhärten sich diese Hilfskonstruktionen zum beinharten Handlungsgerüst, oder, wie der Regisseur Jakob Lass sagen würde, zum "Skelett". Seit seinem Experimental-Hit "Love Steaks" schreibt Lass keine Drehbücher mehr, sondern "Skelette", dazwischen lässt er seinen Schauspielern viel Freiraum zum Improvisieren.

Irgendwie hätte das in Kombination mit Tino Hanekamp schon funktionieren können - das Gedanke macht erst mal Spaß. Jakob Lass schafft oft starke, leicht absurde, direkt aus dem laufenden Schwachsinn des Lebens gegriffene Sequenzen, wenn seine Schauspieler richtig in Fahrt kommen. Allerdings funktioniert das nur dann, wenn sein Skelett entsprechend simpel und naheliegend ist und kein überkonstruierter Käse. Sonst ist er nämlich gezwungen, eine quasi komatöse Deutschpunk-Legende und eine Hamburger Innensenatorin in einer Hamburger Clubnacht aufeinander pallen zu lassen, zwischendrin ihr gemeinsamer Sohn, mit erwartbar desaströsen Folgen.

Einmal mehr bewahrheitet sich hier das hellsichtige Diktum von Rainald Goetz, dass das Nachtleben keine Handlung hat und auch keine haben darf. Wer das zu spät realisiert, reitet sein Handlungsskelett dann sehr schnell zu Tode, während ein paar völlig überforderte Schauspieler ohne Sinn und Verstand durch neunzig Minuten Dauer-Stroboskop-Gewitter taumeln und dabei das seltene Kunststück zu Wege bringen, exakt null Empathie zu erzeugen. Dieses Problem muss in der Schnittphase irgendwem aufgefallen sein, wahrscheinlich Jakob Lass selbst, der ja ein kluger Kopf ist.

In diesem Moment könnte er beschlossen haben, seine Spuren dadurch zu verwischen, dass er die komplette Chronologie des Films zerhackt - oder jedenfalls alles so zusammenmontiert, dass es mit den Szenen davor keinen Sinn mehr ergibt. Es ist schwer zu sagen, wie der Film vorher war - etwas Ärgerlicheres als die Fassung, die jetzt in den Kinos läuft, ist aber tatsächlich nicht vorstellbar.

So was von da , D 2018 - Regie: Jakob Lass. Drehbuch: Jakob Lass, Hannah Schopf. Kamera: Timon Schäppi. Schnitt: Gesa Jäger. Mit Niklas Bruhn, Tinka Fürst, Mathias Bloech, Martina Schöne-Radunski. DCM, 91 Minuten.

© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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