Kino:Mehr Rotwein!

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(Foto: Universum Film GmbH)

Die Tragikomödie "Ein Kuss von Béatrice" ist ein Lehrstück in französischer Lebenskunst. Das verdankt der Film vor allem seiner Hauptdarstellerin Catherine Deneuve.

Von Kathleen Hildebrand

Wie bekommt man Glamour in eine Plattenbauwohnung? Man stellt Catherine Deneuve ins Wohnzimmer, lässt sie in einem bunten Seidenmorgenmantel aus dem Fenster schauen, dabei schwingt sie ein bisschen hin und her und singt laut und schief einen alten Chanson mit, der auf dem Plattenspieler rotiert. Klar, dass Martin Provost, der Regisseur von "Ein Kuss von Béatrice", ein "nervöses Wrack" war, bevor er Deneuve traf, um ihr die zweite Hauptrolle in seinem Film anzubieten.

So eine Szene funktioniert vielleicht nicht nur mit ihr, aber mit ihr eben so sicher wie mit niemandem sonst. Denn Catherine Deneuve ist aufgeladen mit französischer Filmgeschichte. Wenn sie in einer Wohnblockwohnung in der Pariser Vorstadt steht, vor deren Plastikfenstern es dauerregnet, dann steht da nicht nur die Rolle, die sie gerade spielt. Sondern auch die "Belle de Jour", Prinzessin "Eselshaut", die "falsche Braut", die Matriarchin aus "8 Frauen" und Geneviève aus "Die Regenschirme von Cherbourg". Provost hatte Glück, Deneuve sagte zu. Im Original heißt die Tragikkomödie "Sage Femme", also "Die Hebamme" oder auch: "Die weise Frau". Es geht darin um zwei Frauen, die nach Jahrzehnten wieder aufeinandertreffen und füreinander zur Rettung werden. Gerade weil sie völlig verschieden sind, die eine ernst, beherrscht und sparsam, die andere so selbstsüchtig wie großzügig. Die eine, Claire (ebenfalls großartig: Catherine Frot), ist Hebamme im tatsächlichen, professionellen Sinn. Die andere im übertragenen. Denn Béatrice wird mit ihrer rücksichtslosen Lebensfreude für Claire zu einer Art Geburtshelferin.

Sie lebt ihr vor, dass man sich auch mal einen neuen Mantel kaufen kann, selbst wenn das Geld danach fehlt. Und dass man statt Reis auch Côte de Boeuf essen und einen Rotwein trinken kann, egal, was die Ärzte sagen. Wie Martin Provost die Freundschaft zwischen Deneuves sterbender Lebefrau und der prinzipientreuen Claire ergründet, ist zart und von schönster Menschenfreundlichkeit. Klassisches französisches Kino, das auch im Plattenbau den Glamour leidenschaftlichen Lebens findet.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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