Kino:Hungrig nach Leben

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Samantha Mugatsia und Sheila Munyiva im Liebesdrama „Rafiki“. (Foto: Edition Salzgeber)

Der kenianische Film "Rafiki" sorgte in seiner Heimat für einen Skandal, weil er von einer lesbischen Liebe handelt. Homosexualität ist in dem Land gesetzlich verboten.

Von Juliane Liebert

Was verboten ist, ist immer spannender als all die langweiligen erlaubten Dinge da draußen, ist aber deswegen noch nicht zwingend gut. Der kenianische Film "Rafiki" ist in seinem Heimatland Kenia verboten, weil in ihm zwei schöne junge Frauen drei zärtliche Küsse austauschen, und ihnen das auch noch gefällt.

Die Intention des Filmes, so das "Kenya Film Classification Board" (KFCB), sei ganz klar lesbische Liebe zu bewerben, obwphl diese gegen das Gesetz sei. Die Regisseurin Wanuri Kahiu musste klagen, um den Film in Kenia sieben Tage zeigen zu dürfen. Ein Film muss sieben Tage in seinem Heimatland gelaufen sein, um für den Oscar nominiert werden zu können. Sie gewann, die Kenianer stürzten in die Kinos, die waren sogar tagsüber voll. Zum Oscar-Beitrag des Landes reichte es dann aber doch nicht, das wäre wohl ein Wunder zu viel gewesen. Aber der Erfolg war trotzdem groß. Es ist der erste Film aus Kenia, der beim Festival in Cannes lief.

Unter dem Youtube-Trailer des Films wechseln sich Begeisterung und Kommentare wie "Kenia gehört Jesus, lasst die Homos das wissen" und "Wir wollen keine höllische Perversion in unserem Land" ab. Diese höllische Perversion, für unsere Augen ist sie so unschuldig, es sind ja nur drei Küsse. Kena, gespielt von Samantha Mugatsia, ist die Tochter eines Lokalpolitikers. Sie verliebt sich in die Tochter seines Rivalen, Ziki, gespielt von Sheila Munyiva. Sie fahren Tretboot, trinken Limonade, die Anziehung zwischen den beiden ist eindeutig, die anderen Bewohner des Viertels sind zunehmend feindselig.

Männer wie Frauen werden deformiert von starren Geschlechterrollen

Man weiß genau, was passieren wird, oder vermutet es zumindest. Die Liebe ähnelt sich immer und ist doch jedes Mal völlig anders. Sie lebt in den Nuancen — hier ein Bus mit ein paar Kerzen, Regen, ein rosa Baseballcap. Es ist ein kleiner Film, der sich ganz auf seine Liebesgeschichte konzentriert, ohne ästhetische Kapriolen, ohne große Effekte. Er macht sich nicht wichtig, dauert nur 80 Minuten. Die Farben sind satt, die jungen Menschen hungrig nach Leben. Eine politische Analyse ihres Themas strebt Wanuri Kahiu gar nicht an. Das ist gerade die Stärke von "Rafiki", er ist frei von Besserwisserei und Anklage. Man erfährt durchaus einiges über die kenianische Gesellschaft. Aber eben durch allzumenschliche Konflikte hindurch. Der Einfluss der christlichen Religion wird deutlich, auch das soziale Gefälle. Ziki stammt aus einer vergleichsweise wohlhabenden Familie, während Kenas Vater einen kleinen Laden besitzt und sich hochkämpfen will. Männer wie Frauen werden deformiert von starren Geschlechterrollen. Der junge Blacksta etwa steht unter dem Druck, pausenlos den Macker zu geben, dabei ist er eigentlich nur in seine beste Freundin Kena verliebt, die schon äußerlich so queer ist, wie man es sich nur denken kann. Gerade weil man mit Kena und Ziki glücklich ist, hofft und leidet und sieht, wie viel Schönheit das Miteinander in ihrem Stadtviertel auch erschafft, empfindet man schmerzlich die engen Grenzen ihrer Welt. Homosexualität ist in Kenia verboten, kann mit 14 Jahren Gefängnis bestraft werden. Als die beiden in ihrem Bus erwischt werden, fällt der Mob über sie her. Man sieht fast nur Beine und Staub, hört Gebrüll. Die Gewalt wird verfremdet dargestellt, wie auf einer Theaterbühne eher symbolisch vollzogen. Sie ist in der Gesellschaft latent präsent und bricht schließlich über die Protagonistinnen herein.

Samantha Mugatsia und Sheila Munyiva sind großartig, sie spielen ihre Rollen mit Leichtigkeit, haben eine ganz selbstverständliche Präsenz. Dass sich jede Zuschauerin in sie und ihre Liebe verliebt, ist aber auch der Kamera zu verdanken. Sie ist die meiste Zeit ganz nah bei den Menschen , ohne aufdringlich zu werden - sinnlich und gleichermaßen diskret. So baut sie eine Spannung auf zwischen Respekt, Unsicherheit und Begehren. In diesem Energiefeld knistern die Gefühle. Man will sofort alle Benin-Bronzen nach Nigeria restituieren, wenn man dafür dort eine Liebesgeschichte zwischen zwei so tollen Frauen ermöglichen kann. Außerdem trägt die Protagonistin eine Strickjacke mit Rentieren. Solange Rentierwolljacken von schönen jungen Butches in Kenia getragen werden, kann die Welt nicht verloren sein.

Rafiki , Südafrika/Kenia/Frankreich 2018 - Regie: Wanuri Kahiu. Buch: Jenna Bass, Wanuri Kahiu. Kamera: Christopher Wessels. Schnitt: Isabelle Dedieu. Mit: Samantha Mugatsia, Sheila Munyiva, Jimmi Gathu, Nini Wacera, Patricia Amira, Muthoni Gathecha. Edition Salzgeber, 82 Minuten.

© SZ vom 01.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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