Das perfekte Geheimnis
Bei einem Dinner müssen drei Paare und ein Single, alte Freunde, ein Spiel spielen: Für den Abend wird jede eingehende Handynachricht miteinander geteilt. Kaum liegen alle Telefone auf dem Tisch geraten etliche Beteiligte in Panik. Sie wissen, dass ihnen gleich Affären, Mobbing und Nacktfotos um die Ohren fliegen. Bora Dagtekins Komödie ist beredt wie eine französische, fies wie eine amerikanische, und so spontan lustig wie keine deutsche in diesem Jahr.
Djon África
Sein Vater ist einer, der das Leben liebt. Miguel (Miguel Moreira) soll ihm ähnlich sein, heißt es. Er selbst kennt den Vater nicht. Um ihn zu finden, verlässt der junge Mann Portugal Richtung Kapverden, wo er auch nicht richtig hingehört. Er sucht am Meer, in den Bergen, er sucht, wenn er tief ins Grogue-Glas schaut - und findet immerhin sich selbst. Stark sind die Bilder, in denen die Natur dominiert, denn Filipa Reis und João Miller Guerra zeigen ein Stück Welt, das man im Kino selten sieht.
Invisible Sue
Superheldenfähigkeiten können sich nicht nur amerikanische Jungs, sondern auch deutsche Mädchen wie die 12-jährige Sue (Ruby M.Lichtenberg) im Labor einfangen. Die besonderen Risiken und Nebenwirkungen der Erfindung ihrer Mutter locken finstere Gestalten auf den Plan und ziehen das Außenseiter-Trio der Schule in ein wildes Abenteuer. Markus Dietrich inszeniert die Geschichte mit charmanten Referenzen an die Welten von Marvel und DC. In einer Kinderfilmlandschaft, die sich aus Buchverfilmungen speist, muss man diese selbst erdachte und flott erzählte Geschichte wohlwollend betrachten.
Halloween Haunt
Alle Jahre wieder ist Halloween und alle Jahre wieder treffen stereotype Figuren schlechte Entscheidungen. In "Halloween Haunt" findet das in einem Spukhaus statt, das von Horrorclowns besetzt ist. In jedem Zimmer geht jemand verloren und wird brutalst gefoltert und gemeuchelt. Da kann auch eine holprig hingezimmerte Vorgeschichte der Protagonistin nicht über lustlos ausgeführtes Handwerk hinwegtäuschen.
The King
Der australische Regisseur David Michôd und sein Schauspielerfreund Joel Edgerton wollten auf Shakespeare machen, also also ein englisches Königsdrama schreiben mit Intrigen, Familiendramen, Schlachten. Im Geist der neuen Zeit aber wird aus dem legendär angriffslustigen Heerführer Henry V. eine Art vegane Version, die eigentlich immer nur Frieden will (grüblerisch und demonstrativ schmalbrüstig: Timothée Chalamet) und aus dem herrlich egomanen Tunichtgut Falstaff (Edgerton selbst) eine treue Seele mit Dackelblick, die sich im Kampf fürs Herrchen opfert. Der echte Falstaff hätte diesem Trottel ins Gesicht gefurzt (Netflix, 1. November).
Scary Stories to Tell in the Dark
Eine mordende Vogelscheuche. Spinnen, die aus Pickeln krabbeln. Ein Zombie auf der Suche nach seinem abgetrennten Zeh. Eine blasse, dicke Frau mit furchteinflößend freundlichem Grinsen. Solche Gruselgeschichten erscheinen mit Blut geschrieben von selbst im Buch der verstorbenen Sarah Bellows. Vier Jugendliche finden es in einem Spukhaus und müssen verhindern, dass das Geschriebene wahr wird. Der Film von Regisseur André Øvredal wurde von Guillermo del Toro produziert (Pans Labyrinth, Shape of Water), sie setzen auf intelligenten Horror und hässliche Fratzen.
Tiere
Wer wollte nicht schon immer von seiner Katze hören, dass sie ihren Besitzer auch lieb hat? Dieser Dokumentarfilm zeigt in kurzen Episoden alles, was eine Mensch-Tier- Beziehung so hergibt - auch die Kommunikation mit Tieren. Er zeigt, wie Tiere gezüchtet, geformt und prämiert werden. Zeigt auch, wie sie geschlachtet, gehäutet und gegessen werden. Die Bilder sind einfach und doch erschreckend. Aber umso mehr Schnipsel Jonas Spriestersbach aneinanderreiht, desto weniger Verständnis bleibt für Mensch und Tier.
Unruhezeiten
Im Stadttheater einer fiktiven Kleinstadt bleiben die Zuschauerränge leer. Ein Intendanzwechsel soll helfen. Schauspieler und Regisseur Eike Weinreich und der Filmemacher Alexej Hermann erzählen vom Umbruch eines verstaubten Theaterbetriebs - und arbeiten darin einen Stapel brancheninterner Kalauer ab. Liebhaber dürfte die Mischung aus Bühnensoap, Liebeserklärung und Todesurteil zum grübelschmunzeln bringen, für alle anderen ist der Film vermutlich wie die Theater-Exkursion in der Mittelstufe: irgendwie anstrengend.
Verteidiger des Glaubens
Christoph Röhls Film über Benedikt XVI. ist eine Art gefilmter Essay. Das macht die Wucht von "Verteidiger des Glaubens" aus. Röhl These: Dieser Papst ist gerade daran gescheitert, dass er die seine Kirche gegen jeden Zweifel und jede Verunsicherung absichern wollte. Dadurch wurde die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche möglich. Ein starker Film, traurig über das, was er zeigen muss: wie Joseph Ratzinger durch die Gefangenschaft in seinem Denksystem zum Mitschuldigen wird.
Zwingli - Der Reformator
"Tut um Gottes willen etwas Tapferes.", fordert Luthers Schweizer Pendant Ulrich Zwingli von der Zürcher Regierung. Guter Vorsatz, der macht das opulente Historiendrama von Stefan Haupt leider auch nicht spannender. Pünktlich zum eidgenössischen Reformationsjubiläum ist Max Simonischek als revolutionär entflammter Kämpfer gegen Ablasshandel, Zölibat und den Machtmissbrauch der katholischen Kirche zu sehen. Trotz viel Herzblut plätschert die Handlung dröge vor sich hin und einige dramaturgische Entscheidungen erscheinen seltsam unausgereift.
Porträt einer jungen Frau in Flammen
Frankreich, 1770: Eine Künstlerin (Noémie Merlant) kommt aus Paris auf eine Bretagne-Insel, um das Porträt einer Frau anzufertigen (Adèle Haenel), die bald heiraten soll. Über dem Malen verlieben sie sich. Céline Sciammas in Cannes prämierter Film ist eine brillante Studie über die (Selbst)Darstellung von Frauen. Und darüber, dass man zu zweit sein muss, um ein Bild, eine Erinnerung zu erschaffen. Meisterinnenwerk.