Kino:Ehrgeiz und Erschöpfung

Lesezeit: 3 min

Der Schauspieler Ken Duken und sein Regie-Debüt "Berlin Falling"

Von Christiane Lutz, München

Ken Duken könnte ein so friedliches Schauspielerleben haben. Er dreht fleißig Filme, mehr als hundert sind es inzwischen, ist international gefragt, nach eigenen Angaben sehr glücklich verheiratet und sieht so aus, wie sehr viele Menschen einen gutaussehenden Mann beschreiben würden. So könnte es die nächsten 40 Jahre weitergehen, und niemand würde etwas vermissen oder ihm gar Trägheit vorwerfen. Aber nein, Ken Duken hat keine Lust darauf, nur Schauspieler zu sein. Er will auch Regisseur sein. "Berlin Falling" kommt am 13., 14. und 15. Juli für drei Tage in die Kinos, ein Thriller, bei dem er nicht nur Regie geführt, sondern in dem er auch selbst mitgespielt hat. "Ich dachte mir, ich hab ja eh Zeit. Ich bin ja eh da", sagt Duken bei einem Gespräch im Bayerischen Hof während des Filmfests.

Die Wahrheit ist wohl auch, dass er bei "Berlin Falling" gern so viel wie möglich unter seiner Kontrolle behalten wollte. So ist Ken Duken nun ein mitspielender Regisseur, der seinen Film auch noch selbst produziert. "Ich weiß nicht, wie ich das im Normalzustand aushalten würde. Ich hab "Berlin Falling" geschnitten, während ich für die ZDF-Neo-Serie "Tempel" gedreht habe. Nach zwei, drei Stunden Schlaf war ich morgens wieder am Set." Nie sei er erschöpfter, aber auch nie glücklicher gewesen. Als Regisseur ist Duken plötzlich verantwortlich für jedes Detail am Set, für jeden Mitarbeiter, jede Lampe, "aber ich bin einer der Schauspieler, die sich sowieso immer als Teil des Ganzen begreifen", sagt er. Wird ein Film kritisiert, fühlt er sich auch als Schauspieler stets mitverantwortlich. Auch deshalb sei es ihm leicht gefallen, als Regisseur seine eigenen Visionen zu vermitteln. "Blöder Vergleich, aber es gibt Fußballer, die spielen einfach. Und es gibt Fußballer, die schon als Spieler wie Trainer denken." Deshalb war es für Duken auch nur eine Frage der Zeit, bis er selbst Regie führen würde.

Ken Duken in dem von ihm inszenierten Thriller. (Foto: Edith Held/GrandHôtelPictures)

Mit dem Ergebnis ist er zufrieden: "Berlin Falling ist eins zu eins der Film, den ich machen wollte." Der Gegenstand seiner Zufriedenheit ist ein 90-minütiger, ziemlich rasanter Thriller. Die Geschichte: Frank (Ken Duken) nimmt auf einer winterlichen Autofahrt nach Berlin den Tramper Andreas (Tom Wlaschiha) mit. Blöd nur, dass sich Andreas als brutaler Zeitgenosse entpuppt, der Frank erpresst. Er soll für ihn eine Art Terroranschlag in Berlin ausüben. Genaueres sei hier ausgelassen, um den Zuschauern die Überraschung nicht zu vermiesen. Das Stichwort "Terror" muss aber fallen, weil es eine Menge über Regisseur, Schauspieler und Produzent Duken aussagt. Ein ziemlich gewagtes Thema für ein Regie-Debüt. Aber die Griechenland-Krise und der daraus resultierende Rassismus, der Anschlag auf Charlie Hebdo, der Brexit, das waren Moment, die Duken tief erschütterten, sagt er. Dazu wollte er sich irgendwie verhalten. Die Team-Vorführung von "Berlin Falling" fand am 19. Dezember 2016 statt, der Abend des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt.

Ken Duken ist Jahrgang 1979, geboren in Heidelberg, aufgewachsen in Garmisch-Partenkirchen. Ein Kind der Achtzigerjahre und somit Teil einer Generation, die nie für Grundrechte kämpfen musste, die nicht wusste, wie sich Armut anfühlt. Eine Generation, für die Demokratie selbstverständlich ist. Dass die populistischen Strömungen in Deutschland so stark werden könnten, "dass Dinge wie Freiheit und Toleranz, auf die ich sehr stolz bin, so fragil sind und so schnell zerbrechen können, besorgt mich. Ich dachte eigentlich immer, ich sei kein politischer Mensch", sagt Duken. "Anscheinend doch."

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Trotzdem: "Berlin Falling" ist kein Film über Terror. Er thematisiert die Ängste, die Menschen vor Terror haben und führt den vorverurteilenden Zuschauer ganz schön an der Nase herum. Duken sagt, er wolle die Menschen erreichen, die sich von der Angst nicht ihr Leben diktieren lassen. Jene Berliner, die am Tag nach dem Anschlag wieder auf den Weihnachtsmarkt gegangen sind. Ob das gelingen kann, das studiert er jetzt am Publikum. Ein paar Tage vor dem Interview, erzählt er, war er statt sich ins Filmfest zu stürzen, in einer Sneak-Preview von "Berlin Falling" in Neufahrn. Weil er neugierig war, wie das Publikum reagieren würde. Zwei Besucher hätten den Saal vorzeitig verlassen. Kränkt ihn das? "Ich kann gut damit umgehen, Leute nicht zu erreichen. In Vorlesungen sitzen 20 Leute, zwei erreichst du nicht. Dann kannst du deine ganze Energie darauf verwenden, die zu erreichen, oder du kannst den restlichen 18 ein Geschenk machen."

Die Premiere von "Berlin Falling" an dem Abend auf dem Filmfest jedenfalls wird ordentlich beklatscht werden, was er nachmittags noch nicht wissen kann. Noch ist er nervös: "Es ist schließlich München. Das Filmfest. Das Fest, auf dem ich mich vor 20 Jahren in einem viel zu großen Anzug meines Vaters auf erste Veranstaltungen geschlichen habe."

Ken Duken sagt Sätze wie: "Ich kann gut damit leben, nicht alles erreicht zu haben, aber ich kann nicht damit leben, nicht alles versucht zu haben." Das kann man als Poesiealbum-Weisheit abtun, aber wenn man Duken darin ernst nimmt, entsteht das Bild eines sehr Ehrgeizigen, das man ihm durchaus abnehmen kann. Sicher ist er auch hochprofessionell höflich und mit mehr als hundert Filmen schon viel zu lang im Geschäft, als dass er nicht wüsste, was er wann zu sagen hat. Aber eben mal Regie machen, das geht nicht einfach so. Da hätte er es leichter haben können. Will er aber nicht.

Berlin Falling, 13., 14. und 15. Juli, diverse Kinos

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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