Kino: Drag Me to Hell:Tanz der Dreck-Queens

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In Sam Raimis Horrorfilm "Drag Me to Hell" geht es den Bankern an den Kragen: Statt einer dicken Abfindung beendet ein höllischer Fluch die ehrgeizig verfolgte Karriere.

Fritz Göttler

Leute gibt es, immer und überall, die können einem das Leben ziemlich schwer machen. Sie legen den Finger an die schöne blanke Oberfläche und kratzen und kritteln und bohren, und innerhalb kürzester Zeit hat deine Existenz hässliche Sprünge und Risse. Mrs. Ganush gehört zu diesen Leuten. Eines Tages steht sie in der kleinen Bank, am Schreibtisch der kleinen Kreditsachbearbeiterin Christine Brown, und bittet, man möge die Hypothek auf ihr Haus verlängern, zum dritten Mal.

Zur Strafe verflucht: Mrs. Ganush (Lorna Raver) macht Kreditsachbearbeiterin Christine (Alison Lohman) das Leben zur Hölle. (Foto: Foto: Filmverleih)

Licht und hell ist diese Bank, proper und diskret, und genauso ist auch Christine, gespielt von Alison Lohman. Alles ist hier in musterhafte Ordnung gebracht, von Zahlenreihen, Aktenordnern, knallharten Entscheidungen, Karriereschritten. Eine Beförderung sei angedacht, lässt ihr Chef Christine Brown gegenüber durchblicken. David Paymer versieht ihn mit einer eisig-ungerührten Korrektheit, wie man sie seit Mr. Strutt nicht mehr erlebt hat, dem Bürohengst, der einst hinter Tippi Hedren her war in Hitchcocks "Marnie".

Mit Mrs. Ganush kommt die Wirklichkeit zu Christine zurück, und diese Wirklichkeit, das ist das Elend der Armen, der Andersartigen, der Kulturlosen, der Minoritäten, der Zigeuner. Das ist Dreck und Zersetzung und Geifer, verfaulte Zähne und ein scheußliches Glasauge. Christine verweigert die Verlängerung der Hypothek und wird von Mrs. Ganush mit einem Fluch belegt. Drei Tage wird ein Teufel sie malträtieren, am dritten Tage wird sie hinabgezogen in die Hölle. Grauenhaft hilflos wirken von da an ihre Reaktionen auf die bedrohliche Präsenz des Bösen, ihre Versuche, den Fluch wieder loszuwerden.

Sam Raimi ist ein subtiler Chronist des amerikanischen Mittelstands. Die schönen neuen urbanen Welten, an der Ost- wie an der Westküste, sind dem Jungen aus Michigan bis heute suspekt geblieben. In seinen bislang drei "Spider-Man"-Filmen lässt er den Helden Peter Parker sich aufreiben zwischen kleinbürgerlichen amerikanischen Idealen und der Verpflichtung zum übermenschlichen Erlöser. Mit "Drag Me to Hell" kehrt Raimi zu seinen Anfängen zurück, zu Beginn der Achtziger, als er mit seinen Freunden den blutigen Dämonenschocker "Evil Dead" schuf und die Freiheit des Genrefilms feierte, der Geisterbahneffekte mit minimal art zusammenbringt. Der Horror in "Drag me to Hell" beginnt mit einer Fliege, die beim einen Nasenloch hinein- und beim andern wieder herauskrabbelt.

Christine hat gesündigt, dafür wird sie auf der Stelle bestraft, so grausam, dass ihr nicht mal eine Aura von Tragik bleibt. Sie hat die arme alte Frau gedemütigt - vor aller Augen kniet sie vor Christine und fleht um Aufschub, küsst ihr den Rock. Ein kleiner Horrorfilm, der den Kern der großen Wirtschafts- und Lebenskrise heute aufdeckt - Amerika und seine Würde, Amerika und seine Scham. Und die Hölle, das sind immer auch die anderen. Die Eltern von Christines Freund zum Beispiel, steife bourgeoise Wachsfiguren, die unerbittlich beim Abendessen die künftige Schwiegertochter prüfen.

DRAG ME TO HELL, USA 2009 - Regie: Sam Raimi. Buch: Sam und Ivan Raimi. Kamera: Peter Deming. Schnitt: Bob Murawski. Mit: Alison Lohman, Justin Long, Lorna Raver, David Paymer, Dileep Rao, Jessica Lucas, Reggie Lee, Fernanda Romero, Chelcie Ross, Adriana Barraza, Universal, 99 Minuten.

© SZ vom 10.6.2009/bey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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