Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

In der Sexkomödie "Happy Ending" tollen Senioren liebenswürdig bis vorhersehbar herum. Jan-Ole Gersters Psychogramm "Lara" bringt hingegen Welten zum Einsturz.

Von den SZ-Kinokritikern

Es hätte schlimmer kommen können

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(Foto: COIN FILM)

Dreimal durchdrehen musste schon sein, damit es komisch wurde. Das hatte Helmut Dietl verlangt, als Mario Adorf betrunken durch die Drehtür in die Lobby des Bayerischen Hof hineintorkelte in der TV Serie Kir Royal. Adorf erzählt das, wieder einmal, in dem Film, den Dominik Wessely mit ihm schuf. Es ist alles drin in dem Film: Die Nächte der nähenden Mutter, die Falckenbergschule in München, Kortner und Schweikart, der schurkische Santer, harte Krimirollen, die ihn beinahe zum italienischen Charles Bronson gemacht hätten, die Mafia, Siodmak, Peckinpah, Fassbinder, Schlöndorff/von Trotta ... Und: Adorfs Verlangen, im Kunstwerk immer auch die Spuren seiner Entstehung sichtbar werden zu lassen, seine Bewunderung für die Rückseite von Michelangelo.

2040 - Wir retten die Welt!

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(Foto: N/A)

In dieser Dokumentation will Damon Gameau neue Geschichten über den Klimawandel erzählen - von erneuerbaren Energien bis zu alternativen Verkehrsmitteln über regenerative Landwirtschaft. Er übernimmt dabei die Rolle eines coolen Lehrers, der versucht, was alle coolen Lehrer versuchen: Bildung mit Spaß zu verbinden. Die Exkursionen zu Bauern, Fischern und Dörfern wirken erfrischend, statt die übliche Weltuntergangsstimmung zu verbreiten. Das Problem der Weltrettungsstimmung ist aber wohl die Euphorie - jedes der Themen könnte eine eigene Dokumentation füllen.

Human Nature

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(Foto: mindjazz pictures)

Auch die Natur macht Fehler - einige genetisch bedingte Fehler könnte der Mensch mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere CRISPR womöglich ausbügeln. Adam Bolts akribisch recherchierte Doku macht die komplizierte Materie auch Laien verständlich. Der Film schildert die Geschichte der Genforschung (beginnend mit einem Vortrag von 1966, in dem Wissenschaftler als "Mit-Propheten" angesprochen werden), erklärt, wie die "Gen-Schere" funktioniert, und lässt Experten Chancen und Risiken der Technik darlegen. Der Forscherdrang der Wissenschaftler ist mitreißend, klar wird aber auch, dass es Grenzen für den Einsatz geben muss. Wo diese Grenzen zu ziehen sind, beantwortet der Film glücklicherweise nicht. Aber wenn man mitreden will, ist diese Doku eine gute Basis.

Happy Ending

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(Foto: Rolf konow)

Wem sechs Staffeln "Sex and the City" nicht genug waren, ist hier richtig. Die Rentnerpaare in der dänischen Sexkomödie haben ähnliche Beziehungsprobleme wie Carrie und Co. Das ist liebenswürdig, weil hier mal keine knackigen Mittzwanziger herumtollen, sondern Senioren. Selten genug im Kino, aber dennoch recht vorhersehbar, weil es nach genau diesem altbackenen Muster gestrickt ist.

Im Niemandsland

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(Foto: imFilm - Agentur + Verleih)

In Florian Aigners charmanter Romeo-und-Julia-Story im Berliner Wendelook verlieben sich ein Wessi-Mädchen und ein Ossi-Junge im Sommer 1990 ineinander, während sich ihre Eltern einen erbitterten Kampf um ein zu DDR-Zeiten enteignetes Haus liefern. Die Mauer ist zwar gefallen, aber die Kluft zwischen Ost und West, Alt und Jung, Siegern und Verlierern könnte nicht größer sein. Das Liebesdrama erzählt sympathisch selbstironisch von Vorurteilen, verletzten Gefühlen und dunklen Geheimnissen. Nur im Niemandsland kann zusammenwachsen, was zusammengehört.

Khello-Brüder

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(Foto: ggf Planet)

Die Dokumentation zeigt das Schicksal zweier syrischer Flüchtlinge, das einem vielleicht bekannt vorkommt, aber doch einzigartig ist. Die Brüder Tarek und Zakwan Khello verließen ihre Heimat Aleppo - der eine, um nicht aufgrund seines Berufs getötet zu werden, der andere, um nicht als Soldat töten zu müssen. Der eine migrierte legal nach Deutschland, der andere reiste Jahre später illegal ein. Im Film reflektieren beide über den Krieg, die Flucht und Deutschland. Tarek, von Beruf Journalist, berichtet pragmatisch über politische Zusammenhänge, Zakwan, Künstler, erzählt emotional: über Verlust und Rettung seiner Werke und wie die Farben nach seiner Flucht auf seine Leinwände zurück kehrten. Angereichert werden ihre Berichte durch Illustrationen, Handy-Aufnahmen von Zakwans Flucht und den Eindrücken von Menschen, die die beiden in Deutschland kennen gelernt haben. Die 77-Minuten des Films haben in der zweiten Hälfte, die sich auf Zakwan und seine Kunst konzentriert, ihre Längen, aber sind ein warmes und aufrichtiges Porträt über die Brüder, gezeichnet von der 21-Jährige Regisseurin Hille Norden.

Lara

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(Foto: epd)

Gleich in der ersten Szene schickt sich die Titelheldin an, aus dem Fenster zu springen. Filme, die so beginnen, sind meistens Komödien über den verzwickten Weg zurück ins Leben. In Jan-Ole Gersters zweitem Film, nach seinem Überraschungsdebüt "Oh Boy" ist es das Psychogramm einer verbitterten Frau, die ihr Leben am Traum vorbeigelebt hat, was sehr traurig ist, aber auch mit feinem Humor durchsetzt. Hier eine kleine Bemerkung, dort ein missbilligender Blick, so bringt Lara Welten zum Einsturz, da Corinna Harfouch diese Frau mit unnachgiebiger Härte, aber auch mit herzzerreißender Verletzlichkeit ausstattet, kommt man ihr nahe, obwohl sie einen wegstößt.

Marianne & Leonard: Words of Love

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(Foto: dpa)

Nick Broomfield entwirft in seinem Dokumentarfilm die Geschichte der komplizierten, Jahrzehnte langen Liebesbeziehung zwischen Leonard Cohen und der Norwegerin Marianne Ihlen, die sich 1960 auf der griechischen Insel Hydra kennenlernen. Zwischendurch entfernt sich der Film zu weit von seiner enigmatischen, weiblichen Hauptfigur, um die alte Erzählung von genialem Poeten und seiner Muse zu bemühen und Cohens Karriere und Drogenexzesse abzuschreiten. Die vielen unveröffentlichten Archivaufnahmen verleihen dem Doppelporträt aber eine berührende Zärtlichkeit, die über die gängige Musiker-Doku hinausweist.

Midway

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(Foto: AP)

Es fängt an, wie man es von einem Roland Emmerich Film erwarten kann, spektakulär, katastrophisch. Aber Verursacher der Zerstörung sind diesmal keine Aliens, kein Godzilla, sondern die kaiserliche japanische Flotte, die die amerikanischen Kriegsschiffe bei Pearl Harbor versenkt in der historischen Attacke am 7. Dezember 1941. Im halben Jahr darauf kommen dann die US-Streitkräfte zum Zug, mit jeder Menge Flugzeugträgern, U-Booten und Kampfpiloten. Und markanten Leitoffizieren, verkörpert von Woody Harrelson, Patrick Wilson oder Aaron Eckhart. Es bildet den Wendepunkt im Pazifikkrieg, nicht zuletzt dank der kühnen Arbeit der militärischen Geheimdienstler.

Nur die Füße tun mir leid

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(Foto: Nur die Füße tun mir leid / Gabi Röhrl)

Den Jakobsweg zu beschreiten und ohne Crew nebenbei einen Kinofilm zu drehen, muss unendlich mühsam sein. Deshalb ist es ein Rätsel, warum Gabi Röhrls Film irgendwie, naja, gemütlich ist. Abgesehen von Nahaufnahmen geplatzter Fußblasen könnte die Doku auch ein Imagefilm eines Reiseveranstalters sein. Ländliche Panoramas erstrecken sich über Bombastmusik, in den Städten "laden" ständig "köstliche" "Delikatessen" "ein". Das kathartische Ende soll das Publikum beseelen - die vielen Restauranttester-Phrasen wirken da eher hemmend.

The Report

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(Foto: DCM)

Was macht man mit einem siebentausend Seiten langen Bericht über Foltermethoden der CIA nach dem 11. September? Dasselbe wie mit anderen Büchern, von denen man will, dass jemand sie liest: Verfilmen - und dann die Hauptrolle mit Adam Driver besetzen. Als Analytiker im Dienst einer US-Senatorin wühlt er sich durch Berge von Akten, gegen erheblichen politischen Widerstand. Scott Z. Burns boulevardisiert das Thema weder mit Verfolgungsjagden in dunklen Gassen noch mit Eheproblemen wegen der vielen wichtigen Arbeit; der Film besteht fast nur aus Wortgefechten in Washingtoner Büros, durch die man Inhalte und Hintergründe des real existierenden Berichts erfährt. Der Film beruht also auf wahren Fakten und enthüllt sie zugleich. Ein als Spielfilm getarnter Dokumentarfilm. Ein trojanischer Thriller.

Die Sinfonie der Ungewissheit

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(Foto: déjà vu Filmverleih)

Den ganz großen Fragen stellt sich dieser komplexe und persönliche Dokumentaressay von Claudia Lehmann in einer einfachen Versuchsanordnung. Ihr Doktorvater, der theoretische Physiker Gerhard Mack, erörtert mit Künstlern und Wissenschaftlern assoziativ-dialogisch Wahrheitsgehalt und Sinn des Lebens. Auch wenn nicht immer Erkenntnis entsteht, wird deutlich, dass Kunst und Wissenschaft einander Denkanstöße geben können, wenn sie dem Gegenüber nur gut genug zuhören.

Unsere Lehrerin, die Weihnachtshexe

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(Foto: Little Dream Entertainment, Paola Cortellesi)

In Italien bringt dem Volksglauben nach die Hexe Befana den Kindern zu Weihnachten die Geschenke. Seit 500 Jahren macht sie das schon, allerdings ist sie nur nachts zu erkennen, am Tag arbeitet sie bei Michele Soavi ganz ohne Hexennase als Lehrerin. Doch dann wird die Weihnachtshexe entführt, ihre Schüler wollen sie retten. Eine missliche Lage folgt dabei der nächsten, was den Film etwas langatmig macht. Interessant ist der Einblick in eine Tradition abseits von Christkind und Weihnachtsmann dennoch.

Das Wunder von Marseille

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(Foto: dpa)

Basiert auf einer wahren Geschichte: Schachgenie Fahim (Assad Ahmed) flüchtet von Bangladesch nach Frankreich, wo er einen Großmeister trifft (Gérard Depardieu), der ihn unter seine Fittiche nimmt. Pierre François Martin-Laval blickt desillusioniert auf das "Land der Menschenrechte" und solidarisch auf die Migranten. Depardieu ist auch in Form. Erstaunlich, da er hier grad mal ein halbes Sandwich vertilgt.

Zombieland 2

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(Foto: Jessica Miglio; Sony Pictures Releasing France)

Die letzten Menschen in einer Welt voller Zombies können auch Spaß haben - diese Idee bauen Ruben Fleischer und Co. hier weiter sehr lustig aus. Die zusammengewürfelte Ersatzfamilie um Woody Harrelson, Jesse Eisenberg und Emma Stone haust eine zeitlang im verlassenen Weißen Haus, findet andere Überlebende in einem Elvis-Museum und einer Pazifistenkommune. Wichtiger als äußere Gefahren durch immer zähere Zombies sind die Gefühle und Konflikte in der Gruppe, etwa als eine unkaputtbar fröhliche Instagram-Tussi (herrlich: Zoe Deutch) zu den anderen stößt.

© SZ vom 07.11. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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