Kino:Bitte jetzt knuddeln!

Lesezeit: 2 min

Bonbonbunte Trollpuppen haben manche Kindheit geprägt, in der Dreamworks-Kinoversion aber hat der Pop seine Unschuld verloren. Die Fröhlichkeit hat jetzt etwas Totalitäres.

Von Fritz Göttler

Reine Nervensache, dieser Film! Happiness ist angesagt, knallbunt und penetrant, das heißt, sie imprägniert, sie penetriert wirklich alles, jedes einzelne Bild. Niemand ist sicher vor ihr, überall poppt sie auf. Das Volk der Trolls hat Fröhlichkeit und Feelgood zu seiner Lebensgrundlage gemacht. Farbige Gesichter und dichte Haarschöpfe, ohne Nuancen aneinandergesetzt, die Münder immer weit geöffnet, damit lustiger Gesang daraus hervorquillt ...

Happiness, das weiß man nach diesem Film, ist das Pop-Format dessen, was man einst unter Glück verstand, und sie ist inzwischen völlig extrovertiert. Happiness ist besonders wichtig heute, sagen die Regisseure des neuesten Dreamworks-Animations-Abenteuers. Hier läuft der Film seit vergangener Woche, aber in den USA wird er erst am 4. November starten, wenn eine Prise Happiness besonders dringend gebraucht wird - kurz vor der Präsidentschaftswahl am 8. November.

Mike Mitchell und Walt Dohrn haben sich bei flauschigen Animationsserien bereits bewährt, sie haben an verschiedenen Shrek-, SpongeBob- und Alvin-und-die-Chipmunks-Filmen mitgearbeitet. Ihr Troll-Film ist nun der Superflausch. Die Trolls wurden Ende der Fünfziger von Thomas Dam kreiert, bunt und grinsend, mit gewaltigem Haarschopf, sie waren ein Kinderzimmerhit in den Sechzigern und dann wieder in den Achtzigern, und man trifft auch heute noch erstaunlich viele Menschen, die sich an eine Troll-Kindheit erinnern mögen.

Im Film sind die Trolls ein unaufhörlich hüpfendes, singendes, lachendes Volk, das in seinem Königreich lebt und eifrig darauf achtet, dass sich ja keiner ihrem Spaßregime entzieht. Im Zeitalter der digitalisierten Selbstüberwachung haben sie natürlich alle eine Uhr am Arm, die sie alle Stunde daran erinnert, dass es jetzt wieder Zeit ist, sich gegenseitig zu umarmen und zu knuddeln. Die neue Happiness ist streng getimt. Der Pop hat seine Unschuld verloren - vor einem halben Jahrhundert lösten solche bunten Exzesse noch ein Gefühl von Freiheit aus, "Yellow Submarine" war Surrealismus pur.

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Nur einer macht nicht mit beim Glücks-Exzess, das ist Branch (Justin Timberlake), ein junger grauer Eigenbrötler, der dem Frieden der Welt nicht traut, weil er nicht vergessen kann, dass es da draußen noch die Bergen gibt, jene bösen miesepetrigen Wesen, die mit Feelgood gar nichts am Hut haben. Sie sind die natürlichen Feinde der Trolls, mit ihrem Eifer, Trolle zu konsumieren - weil das wenigstens ein klein wenig Happiness in ihnen erzeugen soll. Gegen diese Bergen hat sich Branch einen Hochsicherheitsbunker geschaffen, der allerdings nicht vor der aufdringlichen Troll-Prinzessin Poppy (Anna Kendrick) schützt - sie braucht Branch für eine Rettungsaktion, als die Bergen die Trolls für ein Riesengastmahl einsammeln und nach Bergen Town bringen.

Märchen haben etwas Kannibalistisches, einen Touch von Anthropophagie, das macht ihre Nähe zum Horror aus. Auch die Fröhlichkeit der Trolls hat etwas Totalitäres, ist allesumarmend und -verschlingend. Überall tun sich in diesem Film bunte Augen und Schlünde auf, bunte Blumen und Lianen ziehen ihre Kreise und Spiralen, gegen die Spinnen mit ihren staksigen Beinen keine Chance haben. Pop ist omnipräsent.

Beim ersten Nachtlager bittet der genervte Branch um ein Ende des Singsangs, er wünscht sich Stille. Er kuschelt sich wieder hin, plötzlich erklingt leises Gitarrengezirpe, dann ein Lied: "Hello darkness, my old friend, I've come to talk with you again.

Because a vision softly, creeping left its seeds while I was sleeping . . ." Die Poppy-Variante der Stille, the sound of silence.

Trolls, USA 2016 - Regie: Mike Mitchell, Walt Dohrn. Buch: Jonathan Aibel, Glenn Berger. Kamera: Yong Duk Jhun. Mit den Stimmen von Anna Kendrick, Justin Timberlake, John Cleese . Fox, 93 Min.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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