Kindermusik:Stinkebär und Einhornschnitzel

Lesezeit: 2 min

Die Combo "Café Unterzucker" serviert auch auf ihrem dritten Album "Nenn mich nicht mehr Häselein!" ungesüßte Melodien für Jung und Alt

Von Michael Zirnstein

Oberste Regel im blühenden Kinderlieder-Geschäft: Man darf die sensible Kundschaft nicht unterschätzen. Niemals! Kosenamen sind verboten, obwohl der Branchenführer, die Hamburger Bälger-Band Deine Freunde, den immensen Erfolg dem Hip-Hop-Hopser "Häschen hüpf!" verdankt. Die Münchner Kollegen von Café Unterzucker machen jetzt Schluss mit jeglicher Verniedlichung: "Nenn mich nicht mehr Häselein!" singt auf dem eben so betitelten dritten Album Richard Oehmann, der ja auch mit "Dr. Döblingers geschmackvollem Kasperltheater" Kinder kulturell als ebenbürtige Mitspieler ernst nimmt. Wohl, weil er zuhört, wohl, weil er sich so in den Nachwuchs hineinversetzen kann, der oft schon gescheiter und weiter ist, als Eltern annehmen. "Ich weiß, was sich gehört, bedank' mich bei Oma für das hässliche Shirt", raunzt er im Titelstück, "aber nenn' mich nicht mehr Häselein!"

Damit sind die Fronten geklärt, die Kinder auf Augenhöhe mit den Eltern, welche die Unterzucker-Truppe ohnehin spätestens schätzen, seit sie beim kabarettistischen Singspiel auf dem Nockherberg textet, komponiert und musiziert. Somit kann ein tierisches Vergnügen für Alt und Jung starten.

Diesmal geht es nämlich um Viechereien aller Art. Aber nichts ist freilich im "Institut für ungesüßte Kinderkultur und unversäuerten Erwachsenenschmarrn" so, wie man es aus pädagogisch wertvollen Bilderbüchern kennt. Das Faultier Gunther ist schon des Reimes wegen munter, und seine Familie bittet im gut baumelnden Swing: "Gunther, komm ein bisschen runter, und bleib bei uns hier oben aufm Baum." Einhorn gibt es auf der Platte nur als Schnitzel. Der alte Meister Petz hat den Blues, weil er kein wilder Reißer mehr ist, sondern ein stinkender "Muffelbär". Und bei ihrer Ode an das Zebra gehen der Gastsängerin Luise Kinseher mit der Fantasie gleich die Gäule durch: "Es sorgt für die Ernährung und macht dir die Steuererklärung." Das Wunschhaustier jedes Erwachsenen also, der Zeilen wie "Siehst du des Zebras Streifen, wird Liebe dich ergreifen" nicht nur unterstreichen möchte, sondern gleich weitere Strophen dazudichtet, etwa: "Tanzt er in Unterzuckers Café, zuckt munter auch der alte Affe." Naja, Oehmann kann das einfach besser ...

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Seine absurden Mini-Geschichten sind wieder eine Klasse für sich, wenn er aus dem altbekannten Western-Motiv der Ghostrider einfach einen spukenden Schwarm "Geister-Reiher" macht. Oder wenn er im Samba "Lachse" erklärt, warum der Papst vor dem Auftritt auf dem Petersplatz noch einmal einen Austritt macht, um - welcher Eltern-Taxi-Fahrer kennt das nicht - dem unzeitigen Klo-Besuch vorzubeugen: "Gut getimtes Bieseln ist eine Frage des Geschmacks, biesel wie ein Profi, sei ein Biesel-Prophy-Lachs." Die andere Stärke ist die Musik, für die wieder der Theaterkomponist (Kammerspiele) Tobi Weber hauptverantwortlich ist. Auch hier: Der multiinstrumental Begabte und die vielen Gäste musizieren nicht für einen Kindergeburtstag, sondern so, wie sie Spaß daran haben, etwa Anton Gruber mit der Bluesharp, Micha Acher von The Notwist mit der New-Orleans-Jazz-Tuba oder Greulix Schrank (der sich nicht nur für Kinder so nennt) am Schlagzeug - wie das Tier aus der "Muppets Show".

Text und Musik gehen gut zusammen: Wenn das Lied von der Eule Beulah etwa zwischen Säulen, Fäule und Geheule im bayerischen Eulenschwang spielt, trägt man die Eulen musikalisch doch nach Athen in einer Art Rembetiko. Oder wenn der alte Gockel sich fragt, wo er all die "Henna" einquartieren soll, die ihn umflattern, dann rumpelt das im Boogie-Rock - schließlich sind Rockstars menschliche Hähne auf dem Mist.

Wie in Fabeln üblich, wird es einmal doch pädagogisch. Aber eingedenk des Unglücks eines dummen Cowboys, der sein Pferd melkt und die Kuh sattelt, nimmt sich folgenden Rat sicher jeder zu Herzen: "Mein Kind, hör mal zu, sei in Bio schön tüchtig, studiere die Sorten der Tiere auch richtig, denn willst du auf Erden stets unfallfrei wandern, verwechsel nicht ein Tier mit dem andern."

Schluss mit Kuscheln: Richard Oehmann, Tobie Weber, Greulix Schrank und Anton Weber (von links) haben der Niedlichkeit den Kampf angesagt. (Foto: Yorck Derting)

Café Unterzucker , Sa., 14. Dez., 14 Uhr, Lustspielhaus; Sa., 21. Dez., 13 Uhr, Tollwood

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: