Jugendroman:Schwarzes New York

Lesezeit: 2 min

Blackout von Dhonielle Clayton. (Foto: Verlag)

Ein Blackout bringt junge Afroamerikaner zusammen und ihre Geschichten werden abwechselnd erzählt von sechs Autorinnen.

Von Fritz Göttler

Nella, und Nella würde eben das gern auch zu Joss sagen, sie fühlt sich "maximal lesbisch" in deren Gegenwart, hält sich aber erst mal zurück. Die zwei müssen nämlich gerade ein Foto suchen, das Nellas Grandpop Ike, der im Seniorenheim Althea House lebt, in seiner Brieftasche offenbar nicht mehr finden kann - einmal in der Woche kommt Joss mit ihrem Therapiehund Ziggy, einem Pitbull, zu den Senioren, normalerweise dienstags, aber diesmal ist sie freitags da, denn es gibt einen Blackout in der Stadt New York und die Unruhe ist groß, man versucht Karten zu spielen im Kerzenlicht und hätte beinahe das Heim in Brand gesteckt.

Sechs mitreißende Geschichten aus dieser sehr schwarzen Nacht - von sechs verschiedenen Schreiberinnen - webt dieser Band, ineinander, in denen die Handys enervierend neugierig sind, vor allem aber immer wieder Licht spenden müssen mit ihren Displays. Stromausfall, das heißt, die U-Bahnen bleiben im Tunnel stehen und die Ampeln sind erloschen, und die Bankautomaten rücken kein Geld raus, das man für ein Taxi bräuchte. Dennoch soll auf jeden Fall mit DJ Twig eine große Party steigen an diesem Abend.

Es ist natürlich nicht der erste Blackout in New York, manche Grandma kann dem von 1977 erzählen, und es gibt Eltern-Paare, die sich in ebendieser Nacht gefunden hatten. Auch diesmal gibt's unter den Kids Kontaktaufnahmen, in der reglosen Subway oder in einem Taxi, man streift verstohlen durch die Gänge der großen Bibliothek oder zieht zu Fuß nach Brooklyn, zur großen Brücke. Es gibt Angstattacken, Outings, Wiederannäherungen, Momente von Verführung, über allem liegt eine erotische Faszination und Erregung. Und es gibt immer wieder scheues Innehalten, ein Zögern, seine Gefühle auszusprechen.

Die Figuren und die Autorinnen sind alle Schwarze, sie kommen aus Jamaika oder Kolumbien oder Haiti, oder aus dem Süden der USA, aus Georgia

Auf magische Weise sind die Menschen und ihre Familien in den Geschichten alle miteinander verbunden. Dhonielle Clayton hat dieses Miteinander der Texte subtil koordiniert. Es wird begeistert geschwärmt, mit naiver Selbstverständlichkeit, Schönheit und Liebe sind maßgeschneidert. Joss trägt Braids und eine Latzhose und einen bauchfreien weißen Tanktop. Armreife und eine rosafarbenes Brillengestell. Nella: "Sie steht auf und streckt mir ihre Hand hin. Ich greife danach und spüre ihre zarte Haut unter meinen Fingern. Sie zieht mich hoch, lässt aber nicht sofort wieder los, und der scharfe Gegensatz des kalten Metalls ihrer Ringe zu ihrer warmen Handfläche fühlt sich toll an."

Die Figuren und die Autorinnen sind alle Schwarze, sie kommen aus Jamaika oder Kolumbien oder Haiti, oder aus dem Süden der USA, aus Georgia. Sie sind gutbürgerlich und in ihren Geschichten gibt es keinen Rassismus, keine soziale Deklassierung, keine Polizeiwillkür wie in düsteren anderen Erzählungen Schwarzer Amerikaner. Die Überschwänglichkeit, der Optimismus, die Lebenslust verdanken sich der Entstehungszeit des Buches, der Lockdown 2020. Die Blackout-Menschen sehnen sich nach Licht und Bewegung, und aus dem Blackout leuchtet die Erregung eines Abenteuers - und die Gewissheit "dass du deine alten Träume vielleicht loslassen und dir neue suchen musst". (ab 12 Jahre)

Daniella Clayton, Tiffany D. Jackson, Nic Stone, Angie Thomas, Ashley Woodfolk, Nicola Yoon: Blackout. Aus dem Englischen von Anja Galic und Katarina Gansland. cbj, München 2021. 299 Seiten, 18 Euro.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: