Kinderbuch:Botschaft ins Weltall

Lesezeit: 3 Min.

Der Münchner Filmemacher Philipp Dettmer stellt sein Buch "Liebe Aliens" im Lovelace vor. Vierzig Jahre nach dem Start der "Voyager" erzählt die elfjährige Lucy Außerirdischen von den Problemen auf dem Planeten Erde

Von Barbara Hordych

Als die elfjährige Lucy durch einen Zufall von den beiden "Golden Records" erfährt, die 1977 mit Informationen über den Planeten Erde und die dort lebenden Menschen ins Weltall geschossen wurden, ist sie sofort fasziniert. Doch als sie bei ihrer Recherche im Internet mehr über den Inhalt dieser Platten erfährt, beginnt sie sich zu wundern. Nicht nur, dass die von Wissenschaftlern gespeicherten Informationen, die mit den Raketen Voyager 1 und Voyager 2 ins Weltall gelangten, zum Teil schon richtig alt sind. Sie findet auch, dass viele wichtige Informationen über die Menschen, ihren Umgang mit der Natur, über ihr Handeln und ihr Miteinander fehlen. Beispielsweise wenn es um das Thema Nahrung geht: "Ich habe hier nicht nur genug zu essen, ich kann mir sogar jeden Tag aussuchen, was ich essen möchte und wann ich essen möchte. Und in anderen Ländern sterben Menschen, weil sie überhaupt nichts zu essen haben. Ich werde immer ganz traurig, wenn ich daran denken muss. Und davon ist auf den goldenen Platten zum Beispiel überhaupt nicht die Rede, obwohl viele Menschen auch schon vor vierzig Jahren zu wenig zu essen hatten und deshalb sterben mussten."

Für Lucy, die den Dingen so gerne auf den Grund geht, steht schnell fest: Die Informationen über die Menschen, die auf diesen goldenen Platten fehlen, gehören ergänzt. Und zwar um unangenehme, aber notwendige Wahrheiten wie Religionskriege und Umweltzerstörung. Denn was Lucy auf gar keinen Fall erleben möchte, ist ein Besuch der Aliens auf der Erde, bei dem diese von der Menschheit böse enttäuscht sind. "Liebe Aliens" - mit diesen Worten beginnt dann auch das Buch von Philipp Dettmer, das eigentlich gar kein Buch, sondern eine 150 DIN-A4-Seiten starke, knapp einen Kilo schwere, gebundene "Nachricht" ist. Die wird der Münchner Filmemacher am Samstag, 30. September, im Lovelace vorstellen, gemeinsam mit der Kabarettistin Liesl Weapon.

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(Foto: Verlag in der Lindenstraße)

Die Nachrichten vom Krieg in Syrien schwemmen Anna Grimals Aliens in einem Meer aus Tränen hinfort.

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(Foto: Verlag in der Lindenstraße)

Die italienische Künstlerin Daniela Spoto erinnerte sich beim Lesen des Jugendbuchs an die Reden ihrer Lehrerin: "Sie hat die Grundlage für mein kritisches Denken gelegt".

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(Foto: Verlag in der Lindenstraße)

Anna Grimal gehört zu den neun bereits etablierten Illustratoren, die an dem Buch mitwirkten. Ihre Aliens sind türkise Wesen mit tropfenförmigen Köpfen und lila Augen.

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(Foto: N/A)

Daniela Spotos Lehrerin habe oft über die Verschmutzung der Umwelt und die Abholzung der Wälder gesprochen. Spotos Bilder sollen Kinder und Erwachsene für das Thema Umweltzerstörung sensibilisieren.

Darin berichtet Lucy schonungslos und direkt, zugleich aber auch charmant und originell über ihre ureigensten Gedanken und Gefühle zu Klimawandel und Armut, zu Plastikmüll in Ozeanen und Fluchtursachen, zu Recycling, Umweltschutz, Menschenrechten, nachhaltigen Energien und Gleichberechtigung. Denn für Lucy ist kein Problem zu groß und keine Frage zu schwer, um sie anzusprechen. Vielleicht haben ja die Außerirdischen eine Idee, wie dem Planeten Erde und seinen Bewohnern geholfen werden kann? "Ich bin mir wirklich ziemlich sicher, dass wir die vielen Probleme alle in den Griff kriegen und unseren Planeten noch heilen können, und dass jeder bald genug zu essen hat und sich die Menschen und Regierungschefs nicht immer gleich in die Luft sprengen wollen, wenn sie eine andere Meinung haben, oder eine andere Religion, oder was auch immer. Ihr müsst wirklich mal vorbeikommen... vielleicht habt ihr ja auch Probleme, so wie wir Menschen, und vielleicht habt ihr schon eine Lösung dafür gefunden, die wir uns von euch ausleihen dürfen."

"Liebe Aliens", erschienen im Münchner Verlag an der Lindenstraße (der wiederum zum Schillo Verlag gehört), ist das erste Buch von Philipp Dettmer, dessen Skaterfilm "Nightsession" im vergangenen Jahr deutschlandweit startete. "Der Stoff faszinierte mich, seit ich selbst vor zehn Jahren auf die goldenen Platten aufmerksam wurde und mich darüber ärgerte, welches Bild von unserem Planeten dort entworfen wurde", erzählt der Autor bei einem Treffen in Haidhausen. Um den mitunter schwer verdaulichen Inhalt von Lucys Nachricht visuell aufzulockern, entwickelte er ein besonders gestalterisches Konzept. Er gewann insgesamt 18 Illustratoren aus zwölf Ländern dafür, in 18 Kapiteln wunderbar anmutende Galaxien zu erschaffen, in denen Lucys Botschaft von fremdartigen Aliens empfangen wird.

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Lucys Beschreibungen beispielsweise in dem Kapitel über die schrecklichen Ereignisse in Zusammenhang mit Krieg, Verwüstung und Flucht in Syrien bringen die hoch gewachsenen, türkisen Wesen mit den tropfenförmigen Köpfen und den lila Augen aus der Feder der katalonischen Illustratorin Anna Grimal zum Weinen. Ihre Tränen bilden auf den nächsten Seiten ein Meer, woraufhin sich die Aliens in Meeresbewohner verwandeln und dem irdischen Irrsinn schwimmend entfliehen. "Vom erzählerischen Ansatz her hat mich Anna Grimal sehr beeindruckt, sie schildert in ihren Illustrationen eine selbständige Geschichte", sagt Dettmer. Die Künstlerin gehört zu den neun bereits etablierten Illustratoren, die an dem Buch mitwirkten. "Die andere Hälfte sind Studenten, die ich durch einen Aufruf an Kunst- und Designhochschulen gewinnen konnte", sagt er. Auch wenn der Verlag nicht viel habe zahlen können, fanden doch 150 "Bewerber" das Projekt so spannend, dass sie gerne mitmachen wollten. Ein globales Projekt also, in vielerlei Hinsicht.

"Mir ist bewusst, dass ich mich mit dieser Thematik sehr von Kinderbüchern unterscheide, in denen nur eine Friede-Freude-Eierkuchen-Welt vorgestellt wird. Bestimmt handele ich mir da auch Kritik von Eltern oder Großeltern ein", sagt er. Glaubt er denn, dass Kinder dieses Buch gerne lesen werden? "Unbedingt, ja", ist Dettmer überzeugt. Er hatte sein Debüt vor Kurzem bei einem Restaurantbesuch mit Freunden dabei, die wiederum ihre neun- und elfjährigen Kinder mitgebracht hatten. "Die schnappten sich das Buch, begannen zu lesen, wollten es gar nicht mehr hergeben und unbedingt mit nach Hause nehmen", sagt Dettmer.

Liebe Aliens , Buchpremiere, ab 6 J., Sa., 30. Sep., 17 Uhr, Lovelace, Kardinal-Faulhaber-Straße 1, Eintritt frei

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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