"Der Mann im roten Rock" von Julian Barnes:Europa, verdorben, geliebt

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Ein Meisterwerk, ein pures Vergnügen: Der große englische Lakoniker Julian Barnes erzählt pünktlich zum Brexit-Vollzug von der so neurotischen wie blühenden Belle Époque vor 100 Jahren.

Von Cathrin Kahlweit

Um zu verstehen, was der große Julian Barnes den Europäern jenseits des Kanals mit seinem überwältigenden Opus Magnum "Der Mann im roten Rock" zurufen will, liest man am besten erst einmal das Nachwort. Es ist ein politischer Essay über den Brexit, den der Autor "verblendet" und "masochistisch" nennt. Zugleich erläutert er, warum er einen weitgehend vergessenen, gleichwohl geistreichen, erfolgreichen und "ekelhaft gut aussehenden", bereits 1918 verstorbenen Gynäkologen, einen medizinischen Pionier, homme de femmes, Darwinisten, Dreyfusianer und Gesellschaftslöwen aus Frankreich zum Helden seines jüngsten Werks gemacht hat: Der 74-jährige Julian Barnes bewundert Samuel Jean Pozzi, Held dieses literarischen Ausflugs in die Belle Époque, für dessen Maxime: "Chauvinismus ist eine Erscheinungsform der Ignoranz." Barnes beklagt dann voller Bitterkeit, dass die derzeitige politische Elite Englands unfähig sei, sich in das Denken von Europäern hineinzuversetzen; sie sitze so selbstgefällig auf ihrer Insel, dass sie an der Selbstisolation auch noch Gefallen finde. Julian Barnes, preisgekrönter Autor von Romanen wie "Flauberts Papagei", "Vom Ende einer Geschichte" , "Lärm der Zeit" und zahlreicher Sachbücher, tut das nicht. Er ist: "entsetzt".

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