Interview mit Nicolette Krebitz:"Alles ist so gewesen, wie man es sieht."

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Gab es Bedenken vom Tierschutz?

Wir haben alle Vorgaben eingehalten. Man dreht nicht länger als drei Stunden pro Tag mit so einem Tier. Das ist alles so strikt und kontrolliert. Ich glaube, der Wolf hatte die beste Zeit von uns allen.

Im Gegensatz zu Filmen wie "Life of Pi" wollten Sie keine Trickeffekte, sondern den wirklichen Kontakt von Fell und Haut. Sind tatsächlich alle Wolfszenen real gefilmt?

Ja.

Auch Anias Sextraum, in dem sie nackt ist und blutet und der Wolf ihrer Spur folgt?

Es gibt kein CGI und es gibt keinen Hund oder so, das war immer ein Wolf. Es gibt noch einen zweiten Wolf, den wir manchmal für die totaleren Szenen eingesetzt haben. Ansonsten ist alles so gewesen, wie man es sieht.

Sie sagen, es war mühsamer als gedacht, den Film auf die Beine zu stellen.

Ich habe das Buch geschrieben und dann zwei Jahre lang mit einem eigentlich fertigen Buch einen Produzenten gesucht. Wenn ich einen lustigen Film geschrieben hätte, eine romantische Komödie oder so, und dann noch zwei Stars engagiert hätte, wäre das sicherlich schneller gegangen.

Sie sehen sich als Filmemacherin mit einer weiblichen Sichtweise und einem weiblichen Erzählrhythmus. Woran machen sich die Unterschiede zu Ihren männlichen Kollegen fest? Warum betonen Sie Ihr Geschlecht in dem Zusammenhang?

Die meisten Filme werden von Männern gemacht. Frauen werden in ihnen entweder so dargestellt, wie Männer sie gerne hätten - oder eben schrecklich finden. Alle Situationen, in die Frauen in Filmen gebracht werden, haben meistens nicht viel mit ihrer eigenen Geschichte zu tun. Männliche Helden müssen irgendwas erledigen und Frauen begleiten sie dabei oder gehen ihnen auf die Nerven. Wenn eine Frau einen Film macht, in dem eine Frau die Protagonistin ist, hat sie die Chance, sie in andere Situationen zu bringen, Situationen, die etwas über sie erzählen und nicht über den Mann an ihrer Seite.

Wie bei Ihnen in "Wild".

In "Wild" ist es jetzt ja sogar so, dass der männliche Hauptdarsteller ein Wolf ist. Insofern reagiert die Frau relativ wenig im Sinne des üblichen Schemas, sie ist nicht damit beschäftigt, gegen ein ihr entgegengebrachtes Frauenbild anzutreten oder es gar zu erfüllen. Sie entwickelt ihr Handeln allein aus sich heraus. Sie muss das Verhalten des Mannes nicht spiegeln, sich nicht darauf beziehen. Dadurch erzählt der Film Unabhängigkeit und gibt nicht nur vor, es zu tun. Aus feministischer Sicht lasse ich mich zwar ungern so gendertechnisch zuordnen, weil ich der Biologie genauso schnell widersprechen kann. Aber allein aufgrund der Tatsache, dass es viel mehr Filme von Männern gibt, ist ein Film von einer Frau, in dem es nicht um Männer geht, klar zu unterscheiden und deshalb als weiblich zu definieren.

Der Film ist eine Unabhängigkeitserklärung. Gilt das auch für Sie als Filmemacherin? Sie sind ja nicht gerade für gefällige Stoffe bekannt.

Ich denke nicht in solchen Kategorien, wenn ich mir Stoffe ausdenke. Ich möchte immer etwas schaffen, das ich mir wünsche. Für mich ist Film schon eine Traumfabrik. Ich glaube, dass ich im Moment tatsächlich frei und unabhängig bin. Das habe ich mir erarbeitet, und ich hoffe, dass ich weitermachen kann. Wenn sich meine Filme allerdings keiner ansieht, wird das natürlich nicht leichter. Aber ich würde eher etwas ganz anderes machen als Kompromisse.

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