Nachruf:Kontrollierte Emotionen

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Ingrid Haebler. (Foto: Werner Neumeister/imago)

Im Alter von 93 Jahren ist die österreichische Pianistin Ingrid Haebler gestorben. Besonders für ihr Mozart-Spiel wurde sie gefeiert.

Von Helmut Mauró

Geschätzt wurde sie vor allem für ihr Mozart-Spiel, für ihre unaufgeregte Art, sich in dessen Werk hineinzuarbeiten und es ohne Umschweife möglichst seriös wiederzugeben. Ingrid Haebler, 1929 in Wien in eine vormalige Adelsfamilie geboren, erhielt Klavierunterricht von der Mutter, zog mit der Familie bei Kriegsausbruch nach Salzburg, studierte in Genf bei Nikita Magaloff, in Wien bei Paul Weingarten, schließlich am Salzburger Mozarteum, an dem sie später selbst als Professorin unterrichtete. 1954 hatte sie den ARD-Wettbewerb gewonnen - das war seinerzeit Gütesiegel und Karrieregarantie.

Natürlich spielte sie nicht nur Mozart, auch Franz Schubert und die Klaviermusik der Bach-Söhne lagen ihr am Herzen. Vor allem die von Johann Christian Bach, des Mailänder oder Londoner Bachs, jüngster Sohn Johann Sebastians und wichtigster Bezugspunkt für Mozart in Sachen Klaviermusik. Oft wird er geradezu als Erfinder der Wiener Klassik gehandelt. Haebler schaffte es zwar nicht, diesem zu neuem Leben in einer breiteren Öffentlichkeit zu verhelfen, aber dass sie ihm mehrere Schallplattenaufnahmen widmete, zeigt ihren Sinn für die historische Relevanz auch von weniger bekannten Komponisten.

Gerade ihr unsentimentales Spiel förderte die Emotionen zutage

Dennoch, was blieb und sicherlich bleiben wird, sind ihre Mozart-Aufnahmen. Für viele Musikliebhaber waren sie prägend, für viele der Goldstandard an musikalischem Verständnis und Seriosität. Auch wenn sich das Mozart-Bild während ihrer Konzertjahre im Bewusstsein der Öffentlichkeit drastisch änderte, vom Rokoko-Spaßvogel und Sentiments-Kasper hin zum Sozialrevolutionär, blieb Haebler bei ihrer Grundauffassung, sich den Extremen zu verweigern. Es sind die langsamen Sätze, in denen das unsentimentale Spiel Haeblers mehr Emotionen zutage fördert, als es eine bisweilen bis an die Grenze des Hysterischen getriebene spätere Aufführungspraxis erzwingen will.

1966 wurde eine Tulpe nach Ingrid Haebler benannt. (Foto: IMAGO/piemags)

Was man am Klavier nicht ausdrücken kann, darüber muss man schweigen. Also darüber mit Würde und Selbstbeherrschung hinwegkommen. Das klingt ein bisschen spröde, aber im Einzelfall hilft es, die Musik nicht in Bedeutung zu ersticken. Darin vielleicht liegt das Meisterliche der Pianistin Ingrid Haebler. Wie die Salzburger Nachrichten aus ihrem Freundeskreis erfuhren, verstarb die Pianistin am Sonntag, 14. Mai.

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