Im Kino: "Taking Woodstock":Götter im Kuhdorf

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Psychedelisch, provinziell und parallel zur Mondmission: Ang Lees Roadmovie "Taking Woodstock" zeigt utopische Woodstock-Momente.

Fritz Göttler

Es muss dann doch ziemlich außer-, irgendwie überirdisch gewesen sein. Ein close encounter of the third kind, das dieser Film tatsächlich präsentiert, wie in den Science-Fiction-Filmen der Sechziger und Siebziger die Ankunft eines fremden Raumschiffs gefilmt wurde. Magisches Schimmern am Horizont, eine Ahnung von Erhabenheit, aber man schafft es nicht zum Kern des Geschehens, und will es womöglich auch gar nicht, bleibt lieber auf ehrfürchtiger Distanz. Der Schauder, die Intensität des Peripheren.

Roadmovie und Zeitreise -Elliot (m.) lernt während seines ersten Trips im VW-Bus zu seinem Schwulsein zu stehen. (Foto: Foto: Tobis)

Ang Lee war vierzehn, als er Woodstock erlebte, im Fernsehen auf Taiwan, wo er aufwuchs. Nun dreht er die intensivsten Porträts von Amerika, die man sich vorstellen kann, von "Der Eissturm" bis "Brokeback Mountain", in denen der Blick des Fremden die vertrauten Landschaften dezentriert und die Beziehungen der Menschen auseinandernimmt.

"Taking Woodstock" erzählt, wie das Festival organisiert wurde und die drei Tage im August 1969 am Laufen gehalten wurde. Von einem Blick hinter die Kulissen kann man da nicht sprechen, weil die Theaterperspektive durch den Pop längst zertrümmert war, das Spektakel fand immer auf und vor der Bühne zugleich statt. "Fünfhunderttausend Menschen, die kamen, um Jimi Hendrix und The Who zu hören - das zu filmen wäre zu viel gewesen für Ang Lee und mich", sagt James Schamus, sein treuer Drehbuchautor und Produzent. "Das wäre wie `Krieg und Frieden´ zu verfilmen ... oder besser: Frieden und Frieden."

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Elliot Tiber, das im Untertitel "a true story of a riot, a concert, and a life" verspricht. Damals ein erfolgloser Innenausstatter und Schildermaler, der aus New York in seine Heimatstadt Bethel in den Catskills zurückkam, wo seine Eltern mit der gründlichen Verbissenheit jüdisch-russischer Einwanderer ihr kleines abblätterndes Motel El Monaco - das in Sachen Trostlosigkeit hinfort das Bates' Motel ablösen dürfte - in den Bankrott trieben. Ein paar mysteriös-smarte Hippie-Manager aus der Stadt suchen eine Location für ein Pop-Festival, und als die Nachbargemeinde ausbüxt, ergreift Elliot (Demetri Martin) die Initiative - es handelt sich bei ihm tatsächlich um eine Art lokalen Kulturhandelsbeauftragten.

Das Zentrum des Universums für drei Tage

Man findet eine Kuhwiese und ihren willigen Besitzer, Max Yasgur, verkörpert vom zuverlässigen Eugen Levy. Der Rest ist Geschichte, allen Unwahrscheinlichkeiten, Fremdenfeindlichkeiten, Landstraßenverstopfungen, Schlammschlittereien zum Trotz. Elliot hat seinen ersten Trip, in einem VW-Bus, und fängt an mit seinem Schwulsein zurechtzukommen, dabei hilft ihm Vilma, gespielt vom massiven Liev Schreiber, ein Marine, der sich in Frauenkleidchen sauwohl fühlt. "Nach sechs selbstmörderisch depressiven Filmen hintereinander", sagt James Schamus, "hielten wir diese Geschichte für eine wirklich gute Idee".

Es ist ein Roadmovie, das schnell sein Ziel aus dem Blick verliert, eine Zeitreise, die sich wohl an den Nachrichtenbildern und dem klassischen Woodstock-Movie von Michael Wadleigh orientiert -, von den Stonewall-Unruhen ist die Rede, von der parallel gestarteten Mondmission der Apollo 11, und von Judy Garland, die kurz zuvor gestorben ist -, die aber den direkten Blick konsequent vermeidet, dort wo für drei Tage das Zentrum des Universums war. Was durchaus in der Natur des Kinos liegt, das für Events vielleicht erfunden wurde, aber fürs Evasive sich sehr viel stärker interessiert. Das keine konkreten, besonderen Objekte abbilden will, sondern um diese herumstreicht, in den Schatten und Schattierungen der Hintergründe die Zuckungen erfasst, die es zum unsichtbaren Zentrum seiner stillen Sinfonien macht.

Man sieht in diesem Film, was das für ein Kuhdorf war, in dem das Ufo Woodstock landete. Und was für utopische Momente im Provinziellen stecken in Amerika. Der neue junge trifft den alten amerikanischen Traum - der wird von Imelda Staunton grandios verkörpert, als verkniffene, humpelnde, gehetzte, pogromverschreckte Mutter. Wenn die Jungs, die Woodstock auf die Beine stellen, auf den Weiden um Bethel auftauchen, das ist, wie wenn in arkadischen Landschaften die antiken Götter erste Schritte machen unter den Sterblichen. Ang Lee zeigt die Schönheit dieser Momente, und wo Schönheit ist, das zeigt er auch, ist die Lächerlichkeit nicht weit. Und das Glück ist unzuverlässig und wird nicht dauern.

TAKING WOODSTOCK, USA 2009 - Regie: Ang Lee. Buch: James Schamus. Nach dem Buch von Elliot Tiber und Tom Monte. Kamera: Eric Gautier. Musik: Danny Elfman. Schnitt: Tim Squyres. Mit: Demetri Martin, Imelda Staunton, Henry Goodman, Emile Hirsch, Jeffrey Dean Morgan, Liev Schreiber, Dan Fogler, Eugene Levy. Tobis, 121 Minuten.

© SZ vom 03.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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