Im Kino: Stichtag:Väter, Söhne, Vollidioten

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America's Next Männertrip: Robert Downey Jr. wird eigentlich bald Vater, muss vorher aber noch einen absurden Roadtrip absolvieren. Es wird eine Art Vaterschaftscrashkurs.

Anke Sterneborg

Es kommt unerwartet und mit der ganzen Wucht der Verachtung: Platschend landet die Spucke in der verwunderten Visage seines weißen Schoßhündchens! Einem Hund ins Gesicht spucken? Wie zermürbt und zerrüttet muss ein arrivierter Architekt sein, um sich derart zu vergessen? Das fragte sich im Moment des Drehens sogar Robert Downey Jr., der diesen Mann spielt. Als Motivation konnte er allerdings darauf zurückgreifen, dass seine Figur in der Nacht davor gezwungen war, Herr und Hund beim Synchron-Masturbieren beizuwohnen.

Zach Galifianakis als Ethan Tremblay (l.) und Robert Downey Jr. als Peter Highman prallen an einem Flughafen aufeinander - und werden sich plötzlich nicht mehr los. (Foto: dapd)

Die Grenzen dessen, was im prüden und politisch korrekten Amerika komödienmäßig möglich ist, haben die Farrelly-Brüder und Judd Apatow über die Jahre ihres Wirkens stetig verschoben - Cameron Diaz' unfreiwillige Sperma-Haarkur in "Verrückt nach Mary" (1998) wirkt heute schon wie ein Klassiker des subtilen Humors. Ihre Helden sind allesamt Männer, die partout nicht erwachsen werden, und das allein reicht ja schon aus, um kindische Jungenstreiche auf ein zotiges Männerlevel zu heben. Aber einen Hund anzuspucken, das ist noch mal eine ganz andere Nummer.

Seit gut zehn Jahren trägt der 1970 geborene Todd Phillips das Seine zu dieser Entwicklung bei. Die Männer, die in seinen Filmen mit ihrem Regisseur altern, haben die zeittypischen Probleme mit dem Erwachsenwerden. Nachdem sie sich über lange Zeit in Highschool, College und "Old School" herumgedrückt haben, stehen jetzt die einschneidenden, lebensverändernden Erfahrungen an. Nach der Hochzeit in "Hangover" geht es in "Stichtag" um die Geburt des ersten Kindes. Zuvor muss der angehende Vater allerdings noch einen Roadtrip absolvieren, den man auch als Vaterschaftscrashkurs bezeichnen könnte, als Initiationsreise mit vielfältigen Prüfungen.

Schon vor dem Flughafen prallen der Architekt Peter (Robert Downey Jr.) und der Möchtegernschauspieler Ethan (Zach Galifianakis) unschön aufeinander - richtig schicksalhaft wird es dann aber im Flugzeug: Dort verwendet Ethan gleich im ersten Smalltalk alle verbotenen Begriffe aus dem Terroristenwortschatz, die beiden landen auf einer No-Fly-Liste. Und da Peter in den Turbulenzen Brieftasche und Pass abhanden gekommen sind, ist er fortan einem Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, den er sonst keines Blickes würdigen würde. Erschwerend kommt hinzu, dass die anstehende Geburt seines ersten Kindes Peter unter enormen Zeitdruck setzt, wohingegen Ethan alle Zeit der Welt hat, um als Schauspieler die Grenzen der Peinlichkeit zu sprengen. Auf der langen Reise von Atlanta nach Los Angeles tappt Ethan mit entwaffnender Naivität und todsicherem Gespür in jedes Fettnäpfchen, was unter anderem zu einem Magenschwinger für ein penetrantes Kind führt, zu einer Prügelei mit einem Irakkriegsveteranen im Rollstuhl, zu einer marihuanageschwängerten Begegnung mit mexikanischen Grenzpolizisten und zu einem ausgesprochen gewöhnungsbedürftigen Kaffeeaufguss - in diesem Punkt löst Todd Phillips Jay Roach als Rekordhalter für originelle Szenen mit Urnenasche ab.

Auf dem Weg zu sich

Zach Galifianakis, der seine Art der Komik im Hinterzimmer einer Hamburgerbude am New Yorker Times Square ausprobiert hat und schon in "Hangover" für die allerblödesten Missgeschicke verantwortlich war, zelebriert diese Figur samt Schoßhündchen als spätpubertäre US-Version Rudolph Moshammers, mit trichterförmig hautengen Stonewashed-Jeans und Dauerwelle. Mit geringstem Aufwand setzt er die größten Katastrophen in Gang, deren Konsequenzen dann regelmäßig Peter ausbaden muss, was zur systematischen Zerrüttung seiner Erscheinung führt.

Immer schmutziger, abgerissener und geschundener sieht er aus, doch je mehr er seine äußere Fassung verliert, desto mehr gewinnt er an innerer Stärke, an Herz und Gefühl. Geradezu beiläufig werden die großen Themen zwischen Vätern und Söhnen verhandelt. Dabei erweist sich Robert Downey Jr. als Glücksfall, weil er der Absurdität der Ereignisse eine Erdung in der Wirklichkeit gibt. Seinen Part in diesem modernen Laurel&Hardy-Gespann spielt er mit einer unnachahmlichen Mischung aus Arroganz und Coolness, Wut und Verzweiflung, Sarkasmus und Melancholie. Am Ende ist er für seine Vaterschaft allemal besser gerüstet als zuvor. Und wenn Ethan dann unheilschwanger das Anrufversprechen einfordert, könnte man sich als Sequel gut einen bösen Psychothriller vorstellen.

DUE DATE, USA 2010. Regie: Todd Phillips. Buch: Allen R. Cohen, Alan Freedland, Adam Sztykiel, Todd Phillips. Kamera: Lawrence Sher, Jamie Foxx, Juliette Lewis, Danny McBRide. Verleih: Warner, 100 Minuten.

© SZ vom 11.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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