Im Interview: Jackie Chan:Rücken, Knöchel, Loch im Kopf

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In 30 Jahren Actionfilm hat Jackie Chan sich so ziemlich jeden Knochen gebrochen. Ein Gespräch über seinen kaputten Körper, weinende Männer und das neue "Karate Kid".

Dominik Stawski

Als er den Hotelflur entlanggeht, schießen einem gleich Bilder in den Kopf, wie er sich waghalsig von Hausdächern und Felsen stürzt. Vielleicht hat sich Jackie Chan deswegen die Beine so verbogen. Es gibt Fans, die sagen, sie können an seinen O-Beinen das Alter der Filme erkennen. Jackie Chan, 56, nimmt Platz auf einem der antiken Holzstühle im China Club des Berliner Adlon-Hotels. Edle Samtgardinen, türkisfarbene Seidenüberzüge. Jackie Chan lebt eigentlich in Hongkong, aber nun ist er nach Deutschland gekommen, um für die Neuverfilmung des Kampfsport-Klassikers "Karate Kid" zu werben. Chan ist klein, er lacht sympathisch, wirkt völlig harmlos. Aber er ist es nicht. Sein Körper ist muskelbepackt, als kleines Kind kam er in die China Drama Academy in Hongkong, eine Art Erziehungslager für Opernsänger. Von morgens bis nachts standen Akrobatik, Kung- Fu und Gesang auf dem Lehrplan. Während des Interviews gestikuliert er wild und rückt auf seinem Stuhl immer weiter nach vorne. Hoffentlich greift er nicht an.

Sie nannten ihn Knochenbrecher: Früher ging Jackie Chan mit sich und seinen Filmfeinden nicht gerade zimperlich um. Heute schmerzt ihm der Rücken. (Foto: AP)

SZ: Mr. Chan, wegen Ihrer Stunts haben Sie sich schon so ziemlich jeden Knochen gebrochen. Spüren Sie in diesem Moment Schmerzen?

Chan: Ja. Der Rücken zieht. Ich habe deswegen auch immer Schmerzmittel dabei. Rennen kann ich auch nicht lange, weil meine Knöchel weh tun. Und ich kann nichts Schweres heben wegen der Schulter. Mein Doktor ruft mich alle zwei Monate an, wann ich komme, um endlich die zwei Schrauben in die Schulter zu bekommen. Ich sage jetzt schon seit fünf Jahren, dass ich es bald schaffe.

SZ: Das hört sich nicht gut an.

Chan: Ich muss jeden Morgen meine Übungen machen, damit es im Knie und im Rücken nicht zu schlimm wird. Und auf dem rechten Ohr höre ich nicht mehr so gut.

SZ: Warum?

Chan: Ich hatte mal ein Loch im Kopf. Ich sprang beim Dreh in Jugoslawien von der Burg auf einen Baum und fiel. Noch in Jugoslawien wurde ich wegen einer Gehirnblutung operiert, fünf Tage später haben sie mich nach Paris in ein Krankenhaus verlegt. Da blieb ich dann noch zehn Tage. Dann bin ich nach Jugoslawien zurückgefahren.

SZ: Sie haben einige Tage später einfach weitergedreht?

Chan: Die ganze Crew hatte auf mich gewartet. Wir mussten fertig werden mit dem Film. Wir haben das Skript umgeschrieben. Von da an wurde ich nur halbseitig gefilmt. Nur von links, damit man die Verletzung nicht sieht.

SZ: Haben Sie damals nicht darüber nachgedacht, einfach aufzuhören?

Chan: Was soll ich denn machen? Das ist mein ganzes Leben. Ich liebe Filme. Das ist das Einzige, was ich kann. Welchen Beruf soll ich denn sonst machen?

SZ: Das hört sich aber auch ein wenig verzweifelt an.

Chan: Nein, ich bin froh darüber. Ich bekomme Briefe, Blumen und Schokolade von Fans aus der ganzen Welt. Und natürlich verdiene ich Geld damit.

SZ: Als Sie in Jugoslawien vom Baum fielen, hätte es auch vorbei sein können. Immerhin wurden Sie am Gehirn notoperiert. Was hat Ihre Familie dazu gesagt?

Chan: Ich habe es erst vor ihnen verheimlicht. Mein Vater wusste es, der war dabei. Sonst hat es niemand erfahren. Bis ein Paparazzo im Krankenhaus ein Foto schoss. Ich habe geflucht: So eine Pisse! - Ich sage nicht Scheiße. Ich sage Pisse. Das ist mein neues Wort. - Damals jedenfalls wusste ich, es dauert nicht lange, dann ist das Bild in den Zeitungen. Also habe ich meine Mutter angerufen.

SZ: Was haben Sie gesagt? Vielleicht doch die Wahrheit?

Chan: Mama, ich bin in Paris. Sie fragt: Warum Paris? Und ich antworte: Einer meiner Stuntmänner hat sich verletzt. Und sie wieder: Ist er denn okay? Ja, ja, Mama. Dann habe ich aufgelegt.

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SZ: Das war's?

Chan: Zwei Tage später ruft meine Mutter wieder an. Sie schreit: Ich habe dich in der Zeitung gesehen. Was ist passiert? Ich habe gesagt: Mama, das ist eine Promotion-Nummer meiner Agentur. Es schert sich keiner, wenn sich ein Stuntman verletzt. Deswegen tue ich so, als ob es mich getroffen hätte. Sie schrie wieder: Nein, das bringt Unglück! Tu das nicht!

SZ: Also hat Ihre Mutter nie von Ihrem Unfall erfahren?

Chan: Zwei Jahre später habe ich meine Mutter eine Woche lang in Australien besucht. Am letzten Tag, kurz vor der Abreise, fasste sie mir an den Kopf. Sie hatte es dann doch von Leuten erfahren, die meine Narbe gesehen hatten. Aber ich sagte ihr, dass es nur eine Kleinigkeit sei. Die Zeitungen würde die Geschichte nur aufblasen, als Promotion für mich.

SZ: Und diese Erklärung hat sie Ihnen geglaubt?

Chan: Sie fragte mich sofort, ob sie das Loch vielleicht auch einmal sehen dürfte. Ich hielt ihr dann meinen Kopf hin, und sagte zu ihr: Da ist nichts, Mama. Kein Loch.

SZ: Und?

Chan: Ich hatte ihr einfach die andere Seite vom Kopf gezeigt.

SZ: Sie sind 56 und haben mehr als 100 Filme gedreht. Ihr Körper ist ruiniert. In der Neuauflage von "Karate Kid" spielen Sie einen weisen Meister, der einem Jungen Kung-Fu beibringt. Sie machen kaum Stunts. Sind Sie alt geworden?

Chan: Ich kann nicht mehr das machen, was ich vor 20 Jahren geschafft habe. Das macht mir Sorgen. Ich habe so viele Actionstars gesehen, die kommen und gehen. Sobald sie nicht mehr kämpfen, will das Publikum sie nicht mehr. Ich muss also meine Rollen ändern. Ich will der Robert De Niro Asiens werden. Ein Schauspieler, der kämpfen kann und nicht ein Kämpfer, der schauspielert. Vielleicht mache ich noch ein letztes Actionmovie. Ich will es dem Publikum zeigen, dass ich das mit 56 noch kann.

SZ: Wie fühlen Sie sich als Kung-Fu- Meister?

Chan: Es ist Zeit geworden, dass ich der Meister werde. Damals war ich der Schüler in den Filmen. Jetzt bringe ich es den anderen bei. Ich bin jetzt alt genug.

SZ: In "Karate Kid" weinen Sie sogar.

Chan: Das ist viel schwieriger als eine Kampfszene. Man muss diese Stimmung behalten, den ganzen Tag. Ich muss an traurige Dinge denken, an meinen Vater, an meine Mutter, die nicht mehr leben. Das ist wirklich nicht leicht.

SZ: Wird man Sie bald in Filmen küssen sehen?

Chan: Wenn mich jemand dafür bezahlt, würde ich es tun. Der Strand, schöne Musik, alles in Zeitlupe. Aber Sony Pictures (produzierte Karate Kid, Anm. der Red.) will das wohl nicht. Das ist nicht Jackie Chan. Wahrscheinlich mache ich eher etwas wie "Karate Kid II".

SZ: Sie sagten, Sie wollen so einer wie Robert De Niro werden. Wird das Publikum das akzeptieren?

Chan: Ich denke, es wird sich daran gewöhnen.

SZ: Was macht Sie so zuversichtlich?

Chan: Weil ich seit 30 Jahren Erfolg habe. Ich habe alles bekommen. Jackie Chan ist wie eine Bank. Alle kommen, die Alten und die Jungen. Sie akzeptieren, was ich mache.

SZ: Auch wenn es nicht klappen sollte, etwas Gutes hat der Wandel: Sie haben weniger Ärger mit den Versicherungen.

Chan: Das ist jetzt wirklich leichter geworden. Ich muss denen zwar immer noch erklären, welche Stunts ich im Film mache. Aber früher sagten sie oft nein, viel zu gefährlich, und setzten mich auf die schwarze Liste. Das ist jetzt vorbei.

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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