Quincy Jones hat in deutschen Medien in den vergangenen 20 Jahren so gut wie keine Interviews gegeben. Internet und Castingindustrie haben die Branche, die der Produzent von Michaels Jacksons Top-Alben Thriller, Bad und Off the Wall wie kaum ein anderer geprägt hat, inzwischen völlig verändert. Doch jetzt ist Quincy Jones zu sprechen, er ist in Berlin, auf der Internationalen Funkausstellung steht der 77-Jährige Pate für AKG-Kopfhörer. Heute sei er "ganz gut drauf", sagt der nette Mann der Kopfhörer-PR-Firma, der den Gast in der Lobby empfängt. Was das heißt? "Man versteht ihn ganz gut."
Schon in den fünfziger Jahren produzierte Quincy Jones Musik von Frank Sinatra, Count Basie und Duke Ellington - bis ihn seine Arbeit mit Michael Jackson endgültig zum wohl wichtigsten Mann der Musikindustrie machte. Heute ist Quincy Jones 77 Jahre alt - im November erscheint ein neues Album mit Musik von Usher, LL Cool J und Jennifer Hudson.
(Foto: Foto: AP, Grafik: sueddeutsche.de)Quincy Jones ist eine Legende der Branche. Er war Manager, Arrangeur, Jazztrompeter, Orchesterleiter, Komponist. Er ist ein Jugendfreund von Ray Charles, gearbeitet hat er aber mit fast allen Jazz-Größen. 1989 hatte er mit Back on the Block selbst noch einmal ein Hit-Album. Im November erscheint seine neue Platte Q: Soul Bossa Nostra.
Quincy Jones sitzt in einem der Sessel seiner Suite, er trägt einen dunkelblauen Anzug mit hellen Streifen über einem ziemlich orangen Hemd. Dazu: Sonnenbrille. Seine ebenfalls gestreift besockten Füße stehen auf dem Teppichboden, er löffelt eine giftig grüne Suppe. Er schaut nur kurz und mäßig interessiert auf, als der Besuch ins Zimmer kommt. Schräg gegenüber nimmt der Herr von der deutschen PR-Agentur Platz, neben Jones sitzt seine Assistentin, die ebenfalls Suppe isst.
sueddeutsche.de: Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich frage, während Sie löffeln?
Quincy Jones: Nein!
sueddeutsche.de: Mr. Jones, ich würde gerne ein wenig mit Ihnen über den Wandel in der Musikindustrie sprechen.
Jones: Über was?
sueddeutsche.de: Die Musikindustrie.
Er nickt. Gut. Zum Warmwerden ist vielleicht eine Anekdote aus seiner Autobiographie geeignet, damit er merkt, dass das junge Ding aus Deutschland seine Hausaufgaben gemacht hat.
sueddeutsche.de: Sie beschreiben in Ihrem Buch die ganze Musikbranche als eine einzige große Familie. Sie erzählen, dass Sie mit Ray Charles oder Frank Sinatra nie irgendwelche Verträge hatten, dass Sie alles nur per Handschlag ausgemacht haben.
Jones: Was meinen Sie?
Er hört wohl nicht sehr gut - ziemlich passend, die Kopfhörer-Patenschaft. Also noch mal, lauter:
sueddeutsche.de: Sie schreiben, dass Sie nie Verträge hatten, Handschlag reichte.
Jones: Ja, genau. Das ist der Unterschied zu einem Vertrag mit einem großen Unternehmen. Unternehmen haben immer Verträge mit vielen sehr klein gedruckten Zeilen. Und sie haben das Ziel, möglichst viel aus einer Sache herauszubekommen. Ein Handschlag hat etwas bedeutet. Das ist mir sehr wichtig.
Er scheint sich ein wenig warmzulaufen, schaut sogar manchmal zur Fragestellerin hinüber, soweit man das hinter der coolen lila Sonnenbrille mit Sicherheit überhaupt sagen kann. Mal versuchen, ob man das Gespräch auf heute lenken kann.
sueddeutsche.de: Ist diese Art von Geschäftemachen heute noch denkbar?
Jones: Es gibt immer noch solche Menschen. Im Musikbusiness nicht viele, aber alle Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind so. Ich bin jetzt in einer Phase meines Lebens angelangt, in der ich nur das mache, worauf ich Lust habe, mit den Menschen, die ich liebe und respektiere.
sueddeutsche.de: Aber die Regel sind solche Handshake-Deals doch heute sicher nicht. Die meisten jungen Leute, die heute eine Karriere anfangen, geraten an die große Firma, die mit vielenklein gedruckten Zeilen möglichst viel Geld mit einem jungen Menschen verdienen will?
Jones: Es gibt alle möglichen Deals. Die Plattenindustrie hat nicht mehr die Bedeutung, die sie einmal hatte. Eine Firma wie Life Nation zahlt Stars wie Madonna oder Jay-Z 15 Millionen Dollar für alles: Auftritte, Merchandising, alles im Voraus.
So war die Frage nicht gemeint. Neuer Versuch, diesmal direkter.