Hollywood:Gehalt statt Geschenke

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Lady Gaga bei der Verleihung der Golden Globes 2019. (Foto: Jordan Strauss/dpa)

Die Vereinigung "Hollywood Foreign Press Association" verkauft die Rechte an den Golden Globes an Milliardär Todd Boehly. Es ist ein Deal, von dem viele profitieren - unter anderem die HFPA-Mitglieder, die in diverse Skandale involviert sind.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wem nützt es? Das ist die Frage, die man sich bei diesem Deal stellen sollte. Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) hat am Donnerstag dem Angebot von Milliardär und Interimsgeschäftsführer Todd Boehly zugestimmt, ihm die Rechte am Entertainment-Preis Golden Globes zu verkaufen. Die Vereinigung internationaler Journalisten der Hollywood-Unterhaltungsbranche würde damit von einem Non-Profit-Unternehmen zu einem For-Profit-Unternehmen - und wer wissen will, warum das so ist, der sollte sich daran erinnern, was im Januar bei der 79. Verleihung des Preises passiert ist.

Die fand im International Ballroom des Beverly Hilton Hotel in Los Angeles statt; ein glamouröser Ort für eine Veranstaltung ohne jeglichen Glamour. Es gab keinen roten Teppich - wozu auch? Es waren ja keine Stars da. Es waren keine Kameras zu sehen - wozu auch? Der TV-Sender NBC wollte nicht übertragen, es fand sich auch kein Streaming-Portal. Dieser einst so bedeutsame Abend der Unterhaltungsbranche wirkte wie das Jahrestreffen der Gebrauchtwagenhändler von L.A.. Es war, und das ist das schlimmste Urteil in Hollywood: ein stinknormaler Abend ohne Promis.

Das lag freilich an den Skandalen in den Monaten davor: Die Los Angeles Times hatte Anfang 2021 bewiesen, was sowieso alle wussten: Die HFPA, die seit 1944 die Golden Globes vergibt und damit ihre Relevanz festigt, ist eine Vereinigung, deren Mitglieder sich bis an die Grenze der Bestechlichkeit (vielleicht auch darüber hinaus) einladen und beschenken lassen, journalistische Standards für eher nervig halten und offenbar kein Problem damit haben, dass keines der damals 87 Mitglieder schwarz war.

Ein Beispiel: Paramount Network, Produzent der Netflix-Serie "Emily in Paris", lud im Jahr 2019 mehr als 30 HFPA-Mitglieder nach Paris ein; die logierten im 1200-Euro-pro-Nacht-Hotel Peninsula Paris und durften die Dreharbeiten begutachten, die Pressekonferenz inklusive Mittagessen fand im Musée des Arts Forains statt, einem Jahrmarktmuseum. Bei den Golden Globes 2021 nominiert als beste Comedyserie: "Emily in Paris" .

Beim Golden-Globes-Abend lockerten Stars ihre Zungen mit reichlich Champagner

Die HFPA gefiel sich in der Rolle des schrulligen Großonkels auf dem Familienfest, bei dem keiner so recht weiß, warum er eingeladen wird - über den sich allerdings keiner beschwert, weil er alle reichlich beschenkt; nämlich mit dem nach Oscars (Film) und Emmy (TV) jeweils zweitwichtigsten Preis der Hollywood-Branchen und der Aufmerksamkeit, die so ein Golden-Globes-Abend nun mal mit sich bringt, wenn Stars ihre Zungen mit reichlich Champagner lockern und dann schon mal ein paar Geheimnisse ausplaudern.

Heißt: Die HFPA braucht die Golden Globes, sehr dringend sogar, und deshalb ist interessant, was bei diesem Deal passiert, über den die deutsche HFPA-Präsidentin Helen Höhne per Statement sagt: "Dass ist ein entschlossener Schritt, uns dem immer härteren ökonomischen Umfeld anzupassen - sowohl bei den Award-Shows als auch im journalistischen Markt."

Der Deal: Die Investmentfirma Eldridge Industries, deren Vorstand Boehly ist, kreiert ein Tochterunternehmen, das die Rechte an den Golden Globes übernimmt für einen Betrag, der derzeit nicht bekannt ist und über den eine Drittfirma entscheiden soll. Die Einnahmen künftiger Golden-Globe-Awards sollen an den gemeinnützigen Arm der HFPA abgeführt werden. NBC bezahlt zum Beispiel bis 2025 pro Jahr 62,5 Millionen Dollar für die Senderechte. Das gilt auch dann, wenn der Sender die Ausstrahlung verweigert, solange die HFPA eine Veranstaltung auf die Beine stellt. Damit ist auch geklärt, warum es die Verleihung im Januar gegeben hat: Es ging ums Geld.

Der Deal nützt Boehly. Er ist an den L.A.-Sportvereinen Dodgers (Baseball), Lakers und Sparks (beide Basketball) beteiligt; kürzlich sorgte er weltweit für Aufregung, weil er mit anderen Investoren für 4,93 Milliarden Dollar den englischen Fußballverein Chelsea FC vom russischen Oligarchen Roman Abramowitsch aufkaufte. Boehly gehört die Zeitschrift The Hollywood Reporter, er ist Vorstand des Independent-Studios Media Rights Capital (MRC), das Serien wie "Ozark" und erfolgreiche Live-TV-Shows wie die NBC-Silvestersause in New York produziert - und über eine Tochterfirma auch die Golden Globes.

Kurz: Boehly festigt damit seinen ohnehin schon großen Einfluss in Hollywood.

Der Deal nützt außerdem den HFPA-Mitgliedern. Zu den Reformen der Vereinigung, die sich dafür doch ein wenig zu sehr feierte (Höhne sagte bei der Verleihung im Januar: "Wir haben sehr hart daran gearbeitet, unsere Organisation von Grund auf zu reformieren und umzustrukturieren"), gehörte nicht nur die Aufnahme 21 neuer Mitglieder - sechs davon schwarz -, sondern der künftige Verzicht auf Geschenke und Einladungen. Außerdem gibt es künftig Einschränkungen bei der Honorierung von Mitgliedern für Tätigkeiten. So erhielten zum Beispiel jene, die im Reisekomitee das Budget für Exkursionen überwachten, etwa 2300 Euro pro Monat.

Im Vorschlag von Boehly, der der SZ vorliegt, heißt es zwar, der Deal hebe den Non-Profit-Status der Vereinigung auf und damit das Recht auf Steuervergünstigungen. Er sei aber für die Mitglieder "eine Möglichkeit, einen Anteil am Profit zu bekommen und so am Erfolg der Golden Globes beteiligt zu sein" - und nun wird es interessant.

HFPA-Mitglieder sollen wohl in Zukunft ein Jahresgehalt von 75 000 Dollar bekommen

Konkrete Zahlen sind nicht bekannt; aus dem Umfeld der HFPA erfuhr die SZ aber, dass Mitglieder ein Jahresgehalt von 75 000 Dollar bekommen sollen. Wer nun fragt: Moment, die HFPA-Leute kriegen statt Geschenken nun einfach ein Gehalt? Antwort: Ja, genauso scheint es auszusehen. Die sogenannten weitreichenden Veränderungen führen doch eher dazu, dass vieles bleiben könnte wie bisher.

Auch der Unterhaltungsbranche könnte der Deal nützen. Es war eine haarsträubende Heuchelei, dass viele so taten, als müsse nur die HFPA an den Pranger gestellt werden - obwohl alle wussten, was da lief, machten sie dennoch mit, solange es sich für sie lohnte. Das soll es künftig auch, denn es werden noch immer die mittlerweile knapp mehr als 100 HFPA-Mitglieder über die Golden Globes abstimmen. Solange sie das tun, dürften sie exklusivere Zugänge zu Stars bekommen als andere Reporter; zumal die Zahl der HFPA-Mitglieder überschaubar geblieben ist für die Branche.

Der Deal, der nun noch vom Generalstaatsanwalt von Kalifornien abgesegnet werden muss, nützt also sehr vielen Beteiligten. HFPA-Präsidentin Höhne sagt: "Es ist ein historischer Moment für die HFPA und die Golden Globes. Wir freuen uns darauf, im Januar das 80. Jubiläum zu feiern." Auf Hollywoodisch: Die Show wird weitergehen.

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