Er brauche kein Schloss, sagte Georg Friedrich Prinz von Preußen im Sommer 2005. Ihm sei wichtig, dass seine Familie als Institution wahrgenommen werde, und das ginge auch, wenn er "mit Laptop im Café" sitze. Von Preußen, sagte er damals Cicero, "bleibt vor allem der kulturelle Nachlass meiner Vorfahren und ich bemühe mich, diesen möglichst komplett zu erhalten. Ich bin nicht der junge Schnösel, der mit dem Lieferwagen vorfährt, um Museen auszuräumen. Ganz im Gegenteil." Das ist 14 Jahre her. Nun aber wurden Informationen aus den Verhandlungen der öffentlichen Hand mit den Hohenzollern publik, die den Verdacht nähren, es ginge dem Herrn Prinz von Preußen in erster Linie um ein Schloss und kräftigen Reibach.
Seit mehreren Jahren laufen Gespräche zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund einerseits und dem Haus Hohenzollern andererseits über das Eigentum an Kunst- und Sammlungsgegenständen, Archivalien, Memorabilien, Immobilien. In einem ersten Schritt wurde geprüft, worüber überhaupt verhandelt werden muss. Das war aufwendig und geschah, so sagen Beteiligte, in konstruktiver Atmosphäre. Dann aber, im Frühjahr dieses Jahres, übermittelte das Haus Hohenzollern, dem Georg Friedrich Prinz von Preußen seit 1994 vorsteht, Maximalforderungen, verlangte eine Entschädigung für enteignete Schlösser wie Schloss Rheinsberg, wünschte dauerhaftes, unentgeltliches Wohnrecht in Schloss Cecilienhof, in der Potsdamer Villa Liegnitz oder in Schloss Lindstedt, erhob Anspruch auf Gemälde, Skulpturen, Münzen, Möbel - etwa die kostbaren aus der Werkstatt David Roentgens, und vieles mehr aus dem Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, der Stiftung preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Historischen Museums, insgesamt eine Zahl im vierstelligen Bereich. "Geht's noch?", hätten sich die Vertreter der öffentlichen Hand angesichts dieser Forderungen gefragt, sagt einer von ihnen. Die Familie hoffe offenbar, wenn sie jetzt hohe Forderungen stelle, werde man sich später schon in der Mitte treffen.
Druck übt sie unter anderem durch die zahlreichen Werke aus ihrem Besitz aus, die als Leihgaben in öffentlichen Museen hängen. Die Leihverträge dafür ließ sie 2015 auslaufen. Sie könnte die Werke also jederzeit kurzfristig abziehen. Was die Familie aber offenbar nicht berücksichtigt hat, ist die schon jetzt große öffentliche Empörung, die noch lauter würde, wenn sie die an öffentliche Häuser verliehenen Werke dort tatsächlich von den Wänden nehmen ließe.
"Ganz normale zivilrechtliche Ansprüche"
Markus Hennig, der die Hohenzollern in der Auseinandersetzung anwaltlich vertritt, sagte der SZ, es handele sich um "ganz normale zivilrechtliche Ansprüche". Auch habe man keineswegs die Absicht, die Museen leer zu räumen und die Objekte privat zu "verwerten".
Nach Prüfung und Beratungen schrieb Günter Winands aus dem Haus der Kulturstaatsministerin im Juni 2019 an den Hohenzollern-Chef, "dass wir - die Vertreter Berlins, Brandenburgs und des Bundes sowie der drei Kultureinrichtungen - übereinstimmend in den von Ihnen übersandten Unterlagen keine hinreichend geeignete Grundlage für erfolgversprechende Verhandlungen sehen". Dennoch wolle man sich am 24. Juli wieder treffen.
Auch wenn die Forderungen der Hohenzollern in den drei Einrichtungen weniger als 0,1 Prozent der Sammlungen betreffen, wären die Verluste doch schmerzhaft. Gestritten wird etwa um eine der großartigen Stadtansichten Eduard Gaertners oder das Porträt Joachims II. von Lucas Cranach dem Jüngeren. Nicht hinzunehmen wäre die verlangte Ausgliederung von Teilen des Königlichen Hausarchivs und der fürstlichen Bibliotheken. Der Historiker Thomas Stamm-Kuhlmann, der eine Biografie Friedrich Wilhelms III., des Königs der Reformzeit, verfasst und die Tagebücher des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg ediert hat, betont, wie wichtig der freie Zugang zu den Nachlässen im Hausarchiv sei. Das Gesetz von 1926, mit dem der damals sozialdemokratisch regierte Freistaat Preußen und das Haus Hohenzollern die Vermögensfragen regelte, sah eine gemeinsame Verwaltung des Archivs vor. Aber wäre die Familie derzeit in der Lage, die Hälfte der Kosten zu übernehmen, wie es 1926 vereinbart war?
Ein zentraler Streitpunkt ist das Hohenzollernmuseum. Es wurde 1877 im Berliner Schloss Monbijou eröffnet und bot eine das Herrscherhaus verklärende Darstellung des höfischen Lebens. Nach der erzwungenen Abdankung Wilhelms II. blieb es geschlossen, bis man sich darauf einigte, dass die Objekte im Besitz der Hohenzollern verbleiben sollten, der Staat das Museum wieder eröffnen werde und die Sammlungsgegenstände als Leihgaben erhalte. Die DDR ließ das im Krieg schwer beschädigte Schloss abreißen, die Objekte kamen in Museen und zur Schlösserverwaltung. Um das Jahr 2004 gab es Pläne, in Charlottenburg ein neues Hohenzollernmuseum einzurichten, aber daraus wurde nichts. Nun wünschen die Hohenzollern nicht nur die Errichtung eines Hohenzollernmuseums, sondern auch Einfluss auf dieses, also auf die mit Steuergeld zu bezahlende Geschichtsdarstellung. Darauf einzugehen hieße, das kultur- und geschichtspolitische Selbstverständnis der Republik infrage zu stellen. "Ich glaube, noch der Konservativste im Bund sagt dazu: Ihr tickt ja wohl nicht richtig", meint einer der an den Verhandlungen Beteiligten.
Bereits in den Neunzigerjahren versuchte das Haus Hohenzollern Immobilien zurückzuerhalten, die auf Befehl der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) beschlagnahmt und 1948 enteignet wurden. Das Verwaltungsgericht Potsdam wies die Klage damals zurück, die Rechtslage sei "glasklar". Den Bestand dieser Enteignungen hat das Bundesverfassungsgericht 1991 und 1996 bestätigt. Dies betrifft jedoch nicht die Kunst- und Ausstattungsobjekte aus Schlössern und Herrenhäusern. Die öffentliche Hand und das Haus Hohenzollern bewerten die Eigentumsfragen sehr unterschiedlich.
Berlin, Brandenburg und der Bund haben sich auf die Gespräche eingelassen, um lange Prozesse zu vermeiden. Tief im Westen wurde vor wenigen Wochen die Klage der Hohenzollern auf Rückgabe der Burg Rheinfels zurückgewiesen, aber der Rechtsstreit könnte durch mehrere Instanzen gehen. Dass nun auch im Konflikt mit Berlin und Brandenburg so spät noch Maximalforderungen erhoben werden, erklärt der Anwalt Markus Hennig damit, dass erst nach der Vereinigung die Archive ausgewertet werden konnten.
Schon vor Jahren wurde bekannt, dass die Verwaltung des einstigen Herrscherhauses nicht immer genau im Bilde ist. Watteaus Gemälde "Einschiffung nach Kythera" haben die Hohenzollern 1983 für 15 Millionen Mark an die West-Berliner Museen verkauft. Der Kunsthistoriker Guido Hinterkeuser veröffentlichte 2012 Dokumente, die nahelegen, dass die Hohenzollern dieses Bild schon einmal, in den Zwanzigern, an Preußen verkauft haben.
Was wollen die Hohenzollern mit dem Kulturgut unternehmen, das ihnen eventuell zugesprochen wird? Es trotz gegenteiliger Versicherungen verkaufen? Der öffentlichen Hand, die das preußische Kulturerbe besser pflegt und erforscht als es je unter einem Hohenzollernherrscher der Fall war, Geld abpressen? Der Präsident der Preußenstiftung, Hermann Parzinger, sagt, es liege ein mit viel Aufwand erstelltes Kompromissangebot vor. Es habe sich aber gezeigt, dass die Vorstellung des Hauses Hohenzollern weit darüber hinaus gehen. Es gelte, "die Verhandlungen mit Augenmaß und gegenseitigem Respekt weiterzuführen".