Hochmair über seine Privatvorstellung bei Schmidt:Solo für den Altkanzler

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Wie wohnt Helmut Schmidt? Bildungsbürgertum im feinsten Sinn, sagt der Schauspieler Philipp Hochmair. Er gab im Haus des Altkanzlers in Hamburg-Langenhorn jüngst eine Privatvorstellung. In einen Nebelraum blickend spielte er das Solo "Amerika" nach dem Roman von Franz Kafka - und begab sich auf eine Zeitreise.

Christine Dössel

Philipp Hochmair, 38, wichtiger Mitstreiter in fast allen Inszenierungen von Nicolas Stemann, ist einer der energetischsten Schauspieler seiner Generation. Seit 2009 gehört der gebürtige Wiener zum Ensemble des Hamburger Thalia Theaters, wo er derzeit in Stemanns "Faust I + II"-Marathon zu sehen ist. Mit seinem Solo "Amerika" nach dem Roman von Franz Kafka trat er jüngst im Haus von Altkanzler Helmut Schmidt in Hamburg-Langenhorn auf.

Schauspieler Hochmair mit dem ehemaligen Kanzler. (Foto: OH)

SZ: Hallo, Herr Hochmair, wie kommt man denn zu einem Privatgastspiel im Wohnzimmer von Helmut Schmidt?

Philipp Hochmair: Das Thalia Theater wollte ihm einen Gefallen tun - der Weg ins Theater ist für ihn ja beschwerlich geworden. Also hat man mich gebeten, einen meiner Monologe aufzuführen. Ich konnte selber wählen, welchen, und dachte, "Amerika" würde Schmidt vielleicht am meisten interessieren und besser passen als Goethes "Werther" oder Kafkas "Prozess", die ich ja auch im Programm habe.

SZ: Für den Auswanderer Karl Roßmann erweist sich Amerika nicht gerade als das gelobte Land. Es ist eine Geschichte von Heimatlosigkeit, Isolation, sozialem Abstieg - also genau das Richtige für einen Krisenmanager wie Schmidt?

Hochmair: Es ist ein typisches europäisches Vertriebenen-Schicksal um die Jahrhundertwende. Für einen Ort, wo so viel Politik gemacht wurde und Staatsgäste empfangen wurden wie im Haus von Helmut Schmidt, hat das in meiner Phantasie spontan am besten gepasst. Und das hat sich dann auch bewährt. Zum Beispiel hat sich der Otto-Versandhaus-Chef sehr an das Schicksal seines Vaters erinnert gefühlt, der selber als Flüchtling nach Hamburg kam und ganz klein mit einem Schuhhandel anfing.

SZ: Da scheinen Sie ja vor einer illustren Salon-Runde gespielt zu haben. Wer war denn sonst noch da?

Hochmair: Katharina Trebitsch zum Beispiel, Leiterin von Studio Hamburg, oder der Erzbischof von Hamburg. Ich frage die Zuschauer am Ende des Stücks immer, was sie von Beruf sind, da hat der Erzbischof ganz bescheiden gesagt: Pastor. Insgesamt waren es 15 Leute, lauter Persönlichkeiten aus der Hamburger Gesellschaft, alle mit Riesen-Wikipedia-Biographie. Es ist eher nicht erwünscht, Fotos zu machen oder Namen zu nennen, weil das eine Gruppe unter sich ist, eine Gruppe von kreativen, innovativen, karitativen Personen. Da geht es auch darum, sich gesellschaftlich zu engagieren, Geld in gute Zwecke fließen zu lassen.

SZ: Wie wohnt Helmut Schmidt?

Hochmair: Das ist Bildungsbürgertum im feinsten Sinn. Nichts Schnelllebiges, nichts Künstliches, ein solider, authentischer Haushalt. Ich, der ich ständig aus dem Koffer lebe, kenne so etwas gar nicht mehr. Meterlanger Bücherschrank, schöne Teppiche, echte Bilder, auch so eine beruhigende Atmosphäre - wahre bildungsbürgerliche Substanz.

SZ: Und Sie haben zwischen Tisch und Sesseln gespielt, oder wie müssen wir uns das vorstellen?

Hochmair: Das war das erste Mal, dass dort Theater gespielt wurde, die waren überhaupt nicht vorbereitet. Ich musste den Ort erst als Bühne einrichten, habe mir einen Teppich als Zentrum ausgewählt, einen Stuhl hingestellt, den Fernseher weggeschoben, die Schränkchen auf die Seite. Da kam sofort eine Haushälterin, die das verbieten wollte, aber wir haben garantiert, dass wir alles zurückräumen. Ich hatte einen Techniker dabei, der hat mir Musik zugespielt. Für jedes der fünf Kapitel habe ich mir eine Beleuchtung mittels Lichtschaltern und Leselampen überlegt. Im letzten Kapitel musste ich die Sicherheitsjalousie hochfahren, um dann durch die Glastüre hinaus in den Garten zu gehen.

SZ: Wie ging es Ihnen mit alldem?

Hochmair: Ich hab mich zuerst gefühlt wie ein Kind, das vor den Eltern ein Gedicht aufsagt. Es war wie ein großes Vorsprechen, zumal ja auch mein Intendant da war. Ich bin dann aber im Zuge der Energie, die sich da freisetzt, super in die Geschichte reingekommen. Auf einmal fühlte ich mich als Karl Roßmann wirklich wie in dem Haus des Onkels in Amerika, war ich wirklich das kleine Menschlein auf fremdem Terrain, das vor großen Persönlichkeiten das Gute verficht. In dem Stück heißt es: "Wenn ihn doch seine Eltern sehen könnten, wie er vor großen Persönlichkeiten in einem fremden Land das Gute verfocht." Dieser Satz wurde hier so real wie nie zuvor.

SZ: Und wie kam es an?

Hochmair: Total gut. Es gab sehr positive Reaktionen und hinterher ein schönes Gespräch. Einige kannten die Original-Aufführung im Thalia und waren sehr angetan von dieser Variante: ohne den Glaskasten auf der Bühne, ohne Sicherheitsabstand zwischen Schauspieler und Zuschauer. Dieses Schutzlose. Ich bin ja wirklich einen Meter vor denen gesessen, am Ende sogar in Unterhose.

SZ: Wurde geraucht?

Hochmair: Permanent. Ich habe in einen Nebelraum geblickt. Ich fand das aber toll. Laut Brecht der ideale Zustand: rauchend dem Geschehen folgen.

SZ: Und hinterher wurde gemeinsam gefeiert und getrunken?

Hochmair: Es gab ein Buffet mit so typisch deutschen Schnittchen, Bier, ein Gläschen Schnaps . . . Es war wie eine Zeitreise für mich.

© SZ vom 09.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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