Heinos neues Album:So blau blau blau brennt der Enzian

Lesezeit: 3 min

Der das "r" rollt: Sänger Heino. (Foto: dpa)

Heino hat es wieder getan. Sein neues Album "Schwarz blüht der Enzian" verbindet eigene Hits mit rockigen Klängen wie denen von Rammstein. Zum Rocker macht ihn das noch lange nicht.

Von Felix Reek

In der ersten Reihe, sind das nicht ...? Und am Schlagzeug, ist das nicht ...? Und an der Gitarre? Nein, das kann unmöglich sein! Das muss wieder eines dieser irren Videos von Rammstein sein, wie damals in den Fatsuits. Ha ha ha. Diese verrrrrrückten Teutonenmetaller schaffen es aber auch immer wieder!

Bis dieser markante wasserstoffblonde Haarschopf zu sehen ist, die dunkle Brille. Heino. Und mit ihm: Patrick Lindner, Stefan Mross, Gotthilf Fischer, die Wildecker Herzbuben. Das Sextett aus der Volksmusikhölle. Und es spielt Rock'n'Roll. Präziser: den verrammsteinten Enzian, im ersten Video zu Heinos neuem Album "Schwarz blüht der Enzian".

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Vor etwas mehr als einem Jahr posierte das Platin-Blondinchen erstmals mit Lederjacke, Totenkopfschädel und obligatorischer Pommesgabel. Er sei jetzt ein "Rocker" verkündete die Bild-Zeitung.

Auf dem Album zum irgendwie ironisierten Imagewechsel überrollte er die aktuelle deutsche Popszene mit seinem markanten Bariton. Die fand das vor allem: gar nicht lustig. Campino bezeichnete ihn als "Aushängeschild der deutschen Hässlichkeit", Jan Delay als "Nazi", was ihm zunächst eine Klage einbrachte und dann 20 000 Euro kostete. Rammstein erklärten, sie hätten "kotzen" müssen, als sie Heinos Version von "Sonne" zum ersten Mal hörten. Wenig später ruderte die Band auf ihrer Facebook-Seite zurück. Und baten Heino, wenn auch widerwillig, wie im Video zu sehen, in Wacken auf die Bühne.

"Ärzte? Kenn' ich gar nicht"

Heinos Erfolg war vor allem das Ergebnis einer perfekten Marketing-Strategie. Parallel zum Album "Mit freundlichen Grüßen" verkündete Bild täglich Neuigkeiten des inszenierten "Rockerkrieges". Dass der Nachfolger "Schwarz blüht der Enzian" dem neuen Konzept treu bleibt, ist da nur konsequent. Damit die Schlagzeilen wieder rollen, stichelt Heino im Making-of -Video zum Titeltrack: "Ärzte? Kenn' ich gar nicht. Ich hab' mal für die Toten Hosen 'Junge' gesungen. Die kenn' ich".

Allzu ernst nimmt sich Heino in seinem zweiten Frühling also nicht. Im Video zur ersten Single schwenken Senioren die Gehhilfen, Patrick Lindner verfängt sich im Instrumentenkabel und Heino grillt per Feuerstrahl eine Taube. Ganz am Schluss explodiert, im Gedenken an "Spinal Tap", Schlagzeuger Gotthilf Fischer. Heino ist jetzt nicht nur Rock'n'Roll, er ist auch lustig.

Das ist natürlich kalkulierte Provokation. Die weniger toleranten Heavy-Metal-Fans der einschlägigen Fachmagazine regten sich prompt furchtbar auf. Wer will schon die eigenen Klischees vor Augen gehalten bekommen. Und das auch noch von Heino.

Dabei hat der Sänger aus dem Rheinland nur die Zeichen der Zeit erkannt. Schlager und Volksmusik sind vor allem dank Helene Fischer auf einmal massenkompatibel - und für viele Menschen plötzlich nicht mehr peinlich. Die erfolgreichsten deutschsprachigen Künstler mischen unverhohlen das einst Unvereinbare. Andreas Gabalier singt Volkslieder mit Elvistolle. Unheilig texten auf ihrem neuen Album "Gipfelstürmer" schlageresque: "Vom ersten Tag an hab' ich mich in dir verlorn". Die Schnittmenge beider ist Heino. Dass er, der ehemals altbackenste unter den Volkmusikbarden auf einmal jung und alt vereint, das ist wohl sein größter Erfolg. Gut finden muss man das trotzdem nicht.

Auf "Schwarz blüht der Enzian" singt er jetzt Rockversionen seiner eigenen Lieder. Natürlich bedient er sich dabei vor allem kräftig bei Rammstein. Heino rollt das R schließlich schon einige Jahrzehnte länger. "Schwarz blüht der Enzian", "Wir lagen vor Madadaskar" und "Schwarzbraun ist die Haselnuss" stampfen im Teutonengleichschritt nach vorn. Rammstein wären froh, hätten sie solch eingängige Refrains auf Lager. Über all dem thront der sonore Bariton von Heino, der in den höchsten Tönen in ein Jodeln abgleitet, das einer gewissen Komik nicht entbehrt. Man höre nur einmal "Die schwarze Barbara", Entschuldigung: "Die schwarze Baaaaaarbaraaaa".

Keine Sorge, es ist nur eine weitere Inszenierung

Der Rest ist natürlich so sehr Rock'n'Roll, wie es Westernhagen ist: also gar nicht. "Ja ja, die Katja, die hat ja" könnte auch von Wolfgang Petry stammen. "Rosamunde" ist Schlager mit E-Gitarre. "Hoch auf dem gelben Wagen" zitiert U2, "La Paloma", Bon Jovis "Lay Your Hands On Me", "Einer von uns" "Engel" von Rammstein. Darüber singt Heino so, wie er eben immer singt.

Es wäre einfach, das alles leichtfertig zu verdammen. Als unecht, kalkuliert und reine Geldmacherei. Aber was ist im Pop schon echt? Für Heino sind Lederjacke und Totenkopf nur eine weitere Inszenierung. Wie das geht, weiß kaum einer besser als er. Die Lady Gagas und Madonnas dieser Welt mögen minütlich ihr Image wechseln, Heino hat sich ins deutsche Kleinhirn durch die immergleiche Optik gebrannt: Sonnenbrille und Haare, so blond wie ein frischgezapftes Bier. Zu denen gesellen sich jetzt eben Lederjacke und Totenköpfe. Mehr Rock'n'Roll geht nicht. Zumindest in der traditionellen Volksmusikszene.

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