"Hass auf Kunst":Was soll der Hype um Handke?

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Keiner ist so gut gekleidet - und so streitbar - wie Peter Handke. (Foto: dpa; Collage Jessy Asmus)

Der Schriftsteller ist etwas für literaturbegeisterte Jünglinge, die sich wahnsinnig gerne um sich selbst drehen. Und die Geschichtsklitterung der übelsten Sorte goutieren.

Von Juliane Liebert

Peter Handke ist der Schriftsteller für Studenten, die sich in die Fünfziger Jahre zurücksehnen, um Existenzialist sein zu dürfen. Die aber zugleich mittlerweile so alt sind, dass es peinlich wäre, weiterhin öffentlich Hermann Hesse zu lesen. Denn wie Hermann Hesse eigentlich alles bietet, was der pubertierende Leser braucht, ist Handke das ideale Produkt für den literaturbegeisterten Jüngling, sobald der erste richtige Bartwuchs einsetzt.

Jeder Leser weiß, dass Peter Handkes Texte zwar von der geradezu exzessiven, poetisch verdichteten Weltbeobachtung leben - aber dazu zwangsläufig auch der Beobachter selbst gehört. Die Krux bei Handke: Dass er letztlich doch oft genug in ziemlich blasierter Weise um sich selbst kreist. Für den Leser wird seine Prosa dadurch nur umso unwiderstehlicher, erlaubt sie ihm doch, in hemmungsloser Projektion der eigenen Eitelkeit zu frönen, ohne deshalb bei den sozial bewegten Mitmenschen als politisch unzuverlässig zu gelten.

Ein sehr wesentlicher Kniff der Handke-Verehrung besteht in der Versöhnung von Linkssein und Egozentrismus. Seine sprachlich brillante Transzendenzsucht könnte es mit Clemens Brentano aufnehmen. Dessen umfassende Poetisierung der Wirklichkeit ist aber von großer Leichtigkeit ("O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!") während Handke zweifellos auch Romantiker ist - wenn er nur nicht so viel deutscher klänge, wenn an seinem Himmel nur nicht die Schwerkraft der Ontologie so bleischwer zöge.

Provozieren ist dieser Tage gar nicht mehr so einfach

Auch in Sachen Verruchtheit bietet Handke alles, was sich unser Jüngling wünscht - wie es sich für einen ausgewachsenen Schriftsteller gehört, will Handke provozieren. Leider ist das dieser Tage gar nicht mehr so einfach. Nazi-Accessoires sind aus der Mode, die waren zuletzt in den Hochzeiten des Punks noch eine legitime Provokation. Aber Milošević funktioniert auch heute noch perfekt.

Politisch eklig daran ist, wie Handke sich um klare Aussagen zu Fakten drückt. Es ist sein gutes Recht, vielleicht seine Pflicht, als Schriftsteller auf Zwischentöne und Grauzonen zu schauen, Menschen zu beschreiben und alle anzuhören. Er kann sich auch gegen allzu holzschnittartige Narrative der Medien wenden. Aber Massaker und die dafür Verantwortlichen und die Hässlichkeit des diesen Taten zugrunde liegenden Fanatismus zu benennen, hat nichts mit "Schuldzuweisungen" zu tun, sondern es ist eine Sache der Redlichkeit.

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Denn zugleich Sympathien für Antifaschismus, Massenmord und ein rassistisches Stammesdenken überzeugend zu repräsentieren, das schafft besser als Peter Handke heute höchstens - man verzeihe die Polemik - Wladimir Putin. Wobei Putin natürlich Mainstream ist, Handke dagegen Hochkultur. Mit allen popkulturellen Wassern gewaschen, sitzt er in seinem Pariser Elfenbeinturm. Steigt er aus diesem mal herab, dann nur mit größtem Stilbewusstsein, in feinstem Zwirn - da sieht Michel Houellebecqs Parka ganz schön alt aus dagegen. Und - welch Schmach - dieser lupenreine Laufstegdichter und -denker ist nicht einmal Franzose, sondern Österreicher!

Auch hierin liegt eine tiefe seelische Stärkung für den Handke lesenden Jüngling. Wenn es ein Österreicher zu solchem Glamour bringt, warum dann ein deutscher Philosophiestudent nicht zumindest zu einem Buchvertrag?

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