Guantánamo:Kunst aus Guantánamo

Lesezeit: 1 min

"Untitled (Hands Holding Flowers Through Bars)" von Muhammad Ansi. (Foto: Muhammad Ansi)

Sie schicken Bilder an ihre Familien oder schenken sie ihren Anwälten, manche wurden sogar ausgestellt. Doch nun beansprucht die US-Regierung die Werke der Guantánamo-Insassen für sich - wohl um sie zu verbrennen.

Von Moritz Baumstieger

Als 2013 bekannt wurde, dass George W. Bush sich an Porträtmalerei versucht, war die Überraschung groß: Der frühere US-Präsident galt als stumpf und tumb, einen Künstler hatte niemand in ihm vermutet. Schnell wurde gemutmaßt, Bush versuche so Traumata zu bekämpfen, die er als Oberbefehlshaber seines Krieges gegen den Terror erlitten hatte. Darauf wiesen die Motive hin - Bush malte Veteranen aus den Einsätzen in Afghanistan und im Irak. Er habe ein neues Abenteuer gesucht, "in den engen Grenzen der postpräsidentiellen Blase", sagte Bush.

Er ist nicht der einzige Protagonist der Nach-9/11-Ära, dem das Malen angesichts stark eingeschränkter Bewegungsfreiheit zumindest geistige Ausflüge ermöglicht. Seit Jahren kämpfen auch die Insassen des US-Gefangenenlagers Guantánamo Bay mit Kohlestücken, Aquarell- und Acrylfarbe gegen ihre Langeweile. Die Bilder legten sie oft Briefen an ihre Familien bei oder schenkten sie ihren Anwälten. Kuratoren begannen, die Werke zu sammeln. Nun ist die Kunst unter dem Titel "Ode to the Sea" in einer Hochschule in New York zu sehen - noch. Denn die US-Armee, die das Gefangenenlager betreibt, hat nun festgelegt: Eigentümer von auf Guantánamo geschaffenen Werken seien nicht deren Schöpfer, sondern die US-Regierung. Als deren Vertreter werde man nicht weiter gestatten, dass Werke das Lager verlassen.

Kunst aus Guantánamo
:Zwischen Trauma und Langeweile

Die Insassen von Guantánamo malen Bilder. Ein Zeitvertreib, aber auch ein Mittel zur Traumabewältigung.

Bisher mussten die Häftlinge ihre Artefakte lediglich den Militärzensoren vorlegen, die prüften, ob in ihnen versteckte Botschaften, politische Aussagen oder sicherheitsrelevante Informationen zum Lager enthalten waren. Das "Guantánamo-Tagebuch" des Mauretaniers Mohamedou Ould Slahi schwärzten die Zensoren an über 2500 Stellen - ein internationaler Besteller wurde es dennoch, die Verkaufserlöse ermöglichten dem Autor nach der Entlassung einen Start ins neue Leben.

So etwas soll nun unmöglich gemacht werden: Auf der Internetseite der New Yorker Schau war eine E-Mail-Adresse für Kaufinteressierte angegeben, die den Ärger der Armee erregte. Es sei "fraglich, wohin die Erlöse gehen", sagte ein Armeesprecher. Sie stünden der Regierung zu. Die Ausstellungsmacher verstehen das nicht: "Es ergibt keinen Sinn, hier finanzielle Begründungen vorzuschieben", sagt Kuratorin Erin Thompson. Laut Menschenrechtlern koste jeder der 41 verbliebenen Häftlinge den US-Steuerzahler 11 Millionen Dollar pro Jahr, neben diesen Kosten könne man den Wert der Häftlingskunst trotz ihrer zeitgeschichtlichen Relevanz vernachlässigen. Man werde die Werke nun wohl verbrennen, teilte die Armee mit.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ehemaliger Guantanamo-Insasse
:Guantanamo-Häftling bekommt Millionen-Entschädigung

Omar Khadr wurde als "Kindersoldat" bekannt, weil er mit 15 Jahren in das Gefangenenlager kam. Jetzt entschuldigt sich Kanadas Regierung bei ihm.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: